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Villa Oma

Villa Oma

Titel: Villa Oma
Autoren: Ilse Kleberger
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jungen Vögel abgab. Auf einer großen Tafel neben der Nestersammlung waren Zeichnungen von Nestern tropischer Vögel wie das des Weberfinken in Afrika, der sein Nest wie einen geschlossenen Beutel zusammenflicht, mit einem winzigen Einschlupfloch und an die äußerste Spitze der Baumzweige hängt, damit Schlangen es nicht erreichen können.
    Neben den Nestern gab es schöne Schwungfedern von den verschiedensten Vögeln, die Jan gesammelt hatte. Dazu hatte er eine Tafel gezeichnet und auf ihr den geheimnisvollen Vogelflug beschrieben, die wunderbare Tatsache, daß Vögel, die bei uns aus dem Nest geschlüpft sind, im Herbst den Weg allein nach dem Süden finden und mit großer Geschwindigkeit viele Hunderte von Kilometern fliegen, um den Winter in warmen Ländern zu verbringen.
    Eine große Menge von schönen und seltsamen Steinen gab es im Museum. Mit das wertvollste Stück neben Jans Ammonshorn hatte Lehrer Pieselang gestiftet. Es hatte jahrelang auf seinem Schreibtisch gelegen, aber nun hatte er sich davon getrennt. Es war ein rauher , derber, etwa zwei Fäuste großer Stein, den man durchgeschnitten hatte. Wenn man die obere von der unteren Hälfte hob, strahlte einen ein glitzerndes Märchen an: leuchtende, lila Kristalle, die in einen Kranz von weißen gebettet waren, eine Amethystdruse, köstliche Edelsteine, die inmitten des häßlichen braunen Steins gewachsen waren.
    Brigittes Hauptarbeit für das Museum war eine große, schwarze Tafel, auf die sie mit weißer Kreide Schneekristalle gemalt hatte. Diese winzigen, zarten Gebilde, aus denen eine Schneeflocke besteht, hatte sie mit Omas großer Lupe betrachtet und auf gezeichnet. Aber sie hätte sich beinahe dabei die Finger erfroren, weil sie im Freien zeichnen mußte. Im Zimmer wären die Flöckchen rasch geschmolzen. Doch Oma steckte ihr heiße Eßkastanien in die Manteltasche, an denen sie sich ab und zu die Hände und den Magen wärmen konnte. Wie schone, zarte Sterne und Blüten schmückten die Kristalle nun in vielfacher Form die Tafel. Lange hatten sie darüber diskutiert, ob es auch Werke von Menschen gäbe, die Wunder seien. Jan fand, ein Auto wäre ein Wunder, aber das wurde von den meisten abgelehnt. Und ein Flugzeug? Hier waren die Meinungen geteilt. Jimmy aber bestand darauf, daß eine Mozartsinfonie ein Wunder sei, und so wurde in einem zweiten, kleineren Raum ein Plattenspieler aufgestellt, aus dem man die herrliche Musik hören konnte. Im gleichen Zimmer brachten sie auf Omas Bitte einen großen, bunten Druck an, der ein wunderbares Bild zeigte: einen Engel mit großen, bunten Flügeln, der der Mutter Maria verkündet, daß sie das Jesuskind zur Welt bringen soll. Oma erzählte, daß der Künstler, der dieses Bild gemalt habe, ein italienischer Mönch gewesen war mit Namen Fra Angelico, der die Räume seines Klosters in Florenz ausmalte. Er war fest davon überzeugt, daß Gott ihm den Pinsel führte, und änderte deshalb nie etwas auf seinen Bildern. Die „Verkündigung“ war auch tatsächlich von überirdischer Schönheit.
    Zwischen den Doppelfenstern des Museums standen Gläser mit Hyazinthenzwiebeln, aus denen die rosa und blauen Blumen hervorsprossen.
    „Auch das ist immer wieder ein Wunder“, sagte Oma, „im Sommer werden wir den Garten in die Führungen einbeziehen, denn da gibt es Hunderte von Wundern zu sehen.“
    An dem Tag, an dem das Museum eröffnet wurde, standen alle früh auf. Es war ein Wochentag, und Brigitte, Jan und Peter mußten leider zur Schule gehen. Aber Jan würde als erster mit seiner Klasse zurückkehren, die sich für eine Führung angesagt hatte. Natürlich würde diesmal Jan führen.
    Rolf schwang mit dem Gartentor hin und her und beobachtete scharf die Landstraße.

    Als Jans Klasse, mit Herrn Richter und Jan an der Spitze, auftauchte, lief er ihr entgegen.
    „Ich werde euch zeigen, wo das Museum ist“, rief er, „aber putzt euch ordentlich die Schuhe ab, Oma hat eben noch einmal alles gebohnert.“
    „Halt den Schnabel“, rief Jan ärgerlich. „Meinst du, wir können über den Fußboden fliegen? Außerdem habe ich bis jetzt den Weg noch nicht vergessen. Ich kann die Klasse allein hinführen.“
    Rolf kamen die Tränen. Er lief in die Küche zu Oma und beschwerte sich.
    „Laß nur“, tröstete Oma, „bald werden Leute kommen, die nicht wissen, wo das Museum ist, und denen mußt du den Weg natürlich zeigen, damit sie sich nicht im Haus verirren und Fiffi sie anbellt oder Satan faucht und sie sich
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