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Vierbeinige Freunde

Vierbeinige Freunde

Titel: Vierbeinige Freunde
Autoren: Wera Tschaplina
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ich ihr gerade noch wegnehmen.
    Das Löwenjunge war schon ganz kalt und regte sich nicht. Man hätte glauben können, es sei tot, wenn nicht ein kaum merkliches Atmen noch gezeigt hätte, daß Leben in ihm war. Es mußte so schnell wie möglich erwärmt werden, doch wußte ich nicht, wie und wo ich das machen sollte. Da fiel mir ein, daß bei den Straußen ein Inkubator zum Ausbrüten von Kücken stand. Dahinein beschloß ich, mein Löwenkind zu legen. Ich nahm schnell ein paar Eier heraus und breitete an ihrer Stelle ein Läppchen aus. Das dürfte der einzige Fall gewesen sein, daß man an Stelle von Eiern einen kleinen Löwen in den Brutapparat gelegt hat.
    An diesem Tage ging ich nicht nach Hause, ich blieb bei meinem Löwenjungen. Damit man sich aber zu Hause keine Gedanken macht und um mich sorgt, rief ich an und sagte, daß man mich am folgenden Tage mit einem Löwenkind erwarten solle. Meine Mutter rief bloß: „Ach!“, die Nachbarin aber, die ihr den Hörer abgenommen hatte, erhob bei der Nachricht von einem jungen Löwen ein solches Geschrei, daß sämtliche Wohnungsinsassen zusammenliefen.
    Einer überschrie den anderen, sie wollten es der Miliz melden, man würde mich ausquartieren! Es war ein Schreien und Drohen, daß ich mich beeilte, den Hörer hinzulegen.
    Am anderen Tage machte ich mich mit meinem Pflegekind auf den Heimweg.
    Es war kalt, und es regnete. Um das Löwenkind nicht zu erkälten, verbarg ich es unter dem Mantel an meiner Brust und bestieg die Elektrische. War es nun das Rütteln des Wagens, oder hatte das Pelzfutter meines Mantels in dem kleinen Tier die Erinnerung an die Mutter wachgerufen, wie dem auch sei – das Löwenkind begann sich zu drehen und zu wenden.
    Ich streichelte es möglichst unauffällig, in der Hoffnung, es wieder zu beruhigen – umsonst, es half nichts. Das Tierchen versuchte herauszukriechen und kratzte ganz empfindlich mit seinen scharfen Krallen. Zum Überfluß ließ es plötzlich ein lautes, schrilles Miauen ertönen. Ich sage „Miauen“, sofern man den langgezogenen, heiseren Ton, der dem Kreischen einer großen Tür ähnlich war, so nennen kann.
    Alle Fahrgäste drehten sich verwundert nach mir um.
    Ich wollte nicht auch noch die Aufmerksamkeit des Schaffners auf mich lenken und beeilte mich, auf die Plattform hinauszukommen.
    Ein Mann war mir gefolgt. Er war etwas betreten, fragte dann aber, wer denn unter meinem Mantel so schrecklich geschrien hätte. Ich zeigte ihm das Löwenkind und erzählte seine Geschichte. In der Zeit, bis wir am Puschkin-Platz ankamen, hatten uns sämtliche Wageninsassen einen Besuch abgestattet. Und als ich dann ausgestiegen war, steckte der Schaffner den Kopf aus dem Wagen und rief mir nach: „Aber, Bürgerin, warum haben Sie ihn denn mir nicht gezeigt?“ Und so mußte ich das Löwenkind noch einmal vorführen.
    Unterwegs betrat ich eine Apotheke, um einen Sauger zu erstehen. Ich brauchte einen ganz gewöhnlichen Sauger, wie man ihn für Säuglinge verwendet. Lange wühlte ich in den Saugern. Der eine schien mir zu hart, der andere zu groß, der dritte zu klein zu sein. Die Verkäuferin mußte mir immer neue zeigen, und doch konnte ich keinen passenden finden. Da riß der Verkäuferin die Geduld, und sie erklärte, die Mutter solle doch selber kommen und den Sauger aussuchen. Ich mußte sie nun aufklären, daß die Mutter eine Löwin sei, im Käfig sitze und daher nicht selber kommen könnte, daß aber jede verlorene Minute meinem Pflegekind das Leben kosten könne. Als Beweis zeigte ich das Löwenkind vor.
    Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß es einen solchen Eindruck machen würde. Im Handumdrehen lagen alle Sauger der Apotheke vor uns ausgebreitet. Es wird wohl der erste Fall gewesen sein, daß die Verkäuferin für ein Tierjunges und nicht für ein Menschenkind einen Sauger verkauft hat.
    Mit vereinten Kräften hatten wir nun auch bald den passenden Sauger herausgefunden, und ich beeilte mich heimzukommen.
    Zu Hause warteten schon sämtliche Wohnungsinsassen auf uns. Doch an diesem Tage zeigte ich das Löwenjunge niemandem mehr. Erst mußte ihm ein Plätzchen zurechtgemacht, mußte es gewärmt und gefüttert werden. Eine Kiste besaß ich nicht. Solange, bis mein Söhnchen Tolja unsere Sachen aus dem Koffer hinausgeworfen hatte, benutzte ich das Pelzfutter, das ich aus meinem Mantel trennte. Das glich irgendwie einem Löwenfell, und Kinuli lag darin ganz still.

    Der Körper eines Neugeborenen hat nicht genügend
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