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Vierbeinige Freunde

Vierbeinige Freunde

Titel: Vierbeinige Freunde
Autoren: Wera Tschaplina
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Gegenteil, sowie sich etwas Fremdes ihrem Pflegling nähern wollte, knurrte sie aufgeregt. Der Mutterinstinkt war in Peri erwacht.
    Kinuli schlief jetzt in der Schublade des Kleiderschrankes. Nachts bekam sie immer noch Wärmflaschen; gefüttert aber wurde sie seltener. Das Löwenjunge entwickelte sich, wenn auch nur langsam. Jetzt fürchtete ich nicht mehr für sein Leben. Die gefährlichste Zeit war überstanden. Ich konnte all die Zeit über nur sehr unregelmäßig zur Arbeit gehen. Mascha war immer noch böse, und wenn ich fortging, ließ ich einen Praktikanten bei der jungen Löwin.
    Am sechsten Tage öffneten sich Kinulis Augen, erst das linke, dann das rechte. Die Augen glichen kleinen Spalten und tränten. Die kleinen Ohren stellten sich auf, und die knallroten Lefzen wurden rosa. Kinuli kannte mich und unterschied mich von allen anderen nach dem Geruch. Ob sie nun Milch trank, schlief oder bei Peri lag, ich brauchte bloß meine Hand auszustrecken, sofort ließ sie alles im Stich und kam zu mir gekrochen.
    Mein Söhnchen Tolja erlebte jede Bewegung des Löwenkindes. „Mama, Mama, sieh doch: Miauchen leckt meinen Finger! Mama, es kriecht, es dreht das Köpfchen!“ Tolja war richtig gekränkt, daß ich das Tierchen Kinuli nannte.
    „Wir lieben es doch und haben es gar nicht weggeworfen“, klagte er. „Wir wollen es lieber Miauchen oder Blauäuglein nennen!“
    Kinuli hatte tatsächlich blaue Augen, so blaue, daß die Pupille kaum zu sehen war. Sehen konnte sie aber noch sehr schlecht. Sie läuft durchs Zimmer und stößt überall an, kommt mit dem Kopf vor ein Stuhlbein und weiß nicht weiter, steht ein Weilchen so da, dreht dann um und geht zurück. Kinuli läuft, indem sie hin und her wackelt wie eine Ente, stolpert über die eigenen Füße und fällt nicht auf die Seite, sondern gleich auf den Rücken wie ein mechanisches Spielzeug.
    So wuchs unsere kleine Kinuli heran.
    Eine außergewöhnliche Mieterin
    Aus allen Gegenden der Sowjetunion bekam ich täglich Briefe. Kinder, alte Leute und Frauen, Menschen aus den verschiedensten Fachgebieten und Berufen schrieben an mich. Sie schickten Briefumschläge mit Rückanschrift, sandten Fotografien, Kinuli gewidmete Gedichte und baten alle um Antwort.
    Und was schrieben sie nicht alles!
    Sie äußerten Befürchtungen, daß Kinuli uns auffressen könne. Sie erkundigten sich nach Kinulis Benehmen im Hause und danach, wie lange ich sie behalten wolle. Sie baten, öfters Nachricht über den Rundfunk zu geben, und trugen mir auf, unbedingt ein Buch zu schreiben.
    Es gab auch Liebhaber, die anfragten, wo man wohl noch ein Löwenjunges zur Erziehung herbekommen könne, und wenn das nicht möglich sei, so ersuchten sie um meinen Rat, was für ein anderes Tier ich ihnen empfehlen könne. Zu Anfang gab ich mir Mühe, die Briefe zu beantworten, doch mußte ich das bald aufgeben. Es kamen so viele Briefe, daß unser Briefkasten sie nicht mehr fassen konnte und der Briefträger sich beschwerte, daß er nur noch für uns da sei.
    Ich fand nicht einmal mehr die Zeit, sie alle zu lesen.
    Ebenso toll trieben es die Bildreporter. Fast jeden Tag belagerten sie mein Zimmer. Und was haben sie nicht alles fotografiert! Wie Kinuli ißt, trinkt und schläft, und wie Peri sie beleckt. Auf dem Bauch und auf den Knien krochen sie um das Löwenjunge herum.
    Mascha brummte zwar immer noch, aber doch schon weniger. Ja, sie fing an, mir zu helfen, und eines Tages erklärte sie mir, daß keine Praktikanten mehr herbeordert werden sollten.
    „Dein Kind hast du mir anvertraut, und um so einen Dreck hast du Angst. Beruhige dich nur, werd es nicht schlechter besorgen als sie.“
    Und tatsächlich, Mascha schaffte es ebensogut. Wie seinerzeit meinem Tolja, gab sie dem Tierchen streng nach der Uhr das Futter. Kinulis Geschirr glänzte, und die Servietten, mit denen das Löwenjunge abgerieben wurde, waren stets gewaschen und geplättet. Wenn Kinuli das Fläschchen trank, stemmte sie sich mit den Pfoten gegen Maschas Hände und kratzte dabei sehr empfindlich. Tiefe Kratzer waren auf Maschas Händen zu sehen, doch zürnte sie deswegen gar nicht mehr. Ja, sie nähte dem Löwenkind sogar Windeln, sagte nicht mehr „Dreck“ zu ihm, sondern nannte es Kaulquappe.

    Das Löwenjunge hatte tatsächlich einen sehr großen Kopf, kurze, dicke Beine und einen langen Körper. Kinulis Schreien erschien uns zuerst immer gleich, doch nach und nach hörte ich sehr wohl einen Unterschied heraus. Nach ihrem Schreien
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