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Vierbeinige Freunde

Vierbeinige Freunde

Titel: Vierbeinige Freunde
Autoren: Wera Tschaplina
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gediehen prächtig. Sie fraßen schon Fleisch, kamen aus dem Häuschen heraus und spielten. Bei solchen Gelegenheiten sammelten sich vor dem Luchskäfig viele Zuschauer an.

    Sie wollten die Spiele der Jungluchse möglichst aus der Nähe bewundern, deshalb drängten sie sich dicht an den Käfig. Es kann schon sein, daß dies der Grund war, weshalb die Mutter plötzlich anfing, die Kleinen herumzuschleppen. In der Gefangenschaft kann man das bei Raubtieren oft beobachten. Alles beunruhigt sie, der Lärm und die Menschen. Sie sind wohl bestrebt, ihre Jungen zu verstecken, sie wegzuschleppen. Und so packen sie sie mit den Zähnen und laufen mit ihnen, einen Ausweg suchend, im Käfig umher.
    So geschah es auch hier. Der Luchs packte ein Junges und lief mit ihm hinter dem Gitter hin und her. Vergeblich schrie das Junge und versuchte sich loszureißen, es half ihm nichts. Auch das Schreien des Publikums war vergeblich. Als dann die Angestellten herzukamen, war es bereits zu spät. Das Junge war tot, und die Luchsmutter schleppte das zweite davon. Mit vieler Mühe gelang es den Angestellten, ihr das Junge abzujagen.
    Der kleine Luchs hatte durch die Zähne der Mutter schwer gelitten. Ein Vorderpfötchen war gebrochen und das eine Auge verletzt. Von den geretteten Luchskindern war es das schwächste – klein, schmächtig und matt. Es verkroch sich in dem Häuschen und kam den ganzen Tag nicht zum Vorschein. Der kleine Luchs war in einem solch schlechten Zustand, daß ich beschloß, ihn mit heimzunehmen. Gleich am folgenden Tage holte ich die Erlaubnis des Direktors ein, wickelte den Kleinen in meinen Arbeitskittel und fuhr mit ihm los. Zu Hause angekommen, ergriff mich auf der Treppe die Unruhe: Was wird wohl Schura zu uns sagen? … Ich schließe die Türe auf und trete ins Zimmer – Schura sieht mich schon ganz mißtrauisch an, ich hole den kleinen Luchs heraus – da schreit er mich auch schon an: „Was ist das für ein Scheusal? Hast du am Löwen nicht genug? Oder bringst du morgen noch ’n Elefanten mit?“
    Ich begehrte auch auf:
    „Erstens ist das kein Scheusal, sondern ein Luchs. Zweitens würde ich auch einen Elefanten mitbringen, wenn das Zimmer nicht so klein wäre.“
    Schura antwortete nichts mehr, winkte nur ab und verließ das Zimmer. Doch kam er gleich wieder zurück – er brachte es nicht fertig, lange böse zu sein.
    Wir setzten den Luchs in eine Kiste, stellten eine Untertasse mit Milch hinein, legten Fleisch daneben und deckten die Kiste mit Brettern zu. Den Mietern sagten wir nichts von dem neuen Zögling. Kinuli kannten und liebten alle, aber wer weiß, was sie zu dem Luchs sagen würden?
    An diesem Abend konnte Schura lange nicht einschlafen. Immer wollte er etwas von Luchsen wissen. Zum Schluß erklärte er, daß er den Luchs für sich behalten wollte. Er wollte ihm selber einen Namen geben, ihn auch selber pflegen und zähmen – vorausgesetzt natürlich, daß das Tier auch tatsächlich ein Luchs sei. Kaum daß es tagte, war er schon auf den Beinen und stürmte zu seinem Pflegling. Er kam recht enttäuscht zurück. Der kleine Luchs war gar nicht so zutraulich, wie er gedacht hatte. In der Nacht hatte dieser die ganze Kiste zernagt, die Milch verschüttet und das Fleisch ganz unberührt gelassen. Als dann Schura seine Hand in die Kiste schob, um das Tierchen zu streicheln, drückte es sich in eine Ecke und knurrte. Auch mit der Namensgebung ging es nicht besser. Es stellte sich heraus, daß es schwieriger war, einen passenden zu finden als den zu kritisieren, den ich dem Tier bereits gegeben hatte. Wir stritten lange und erbittert. Schura wollte es Murka oder Muska nennen, ich bestand auf Taskali, weil seine Mutter es herumgeschleppt hatte (taskali, von russ. taskatj = schleppen). Endgültig besiegt, gab Schura schließlich nach, und wir einigten uns auf Tasko.
    Ein mißglückter Annäherungsversuch
    Die Kiste mit den fremdartigen Tönen und Gerüchen beunruhigte Kinuli sehr stark. Sie fraß weniger, ging schnuppernd um die Kiste herum, und wenn ich die Bretter des Deckels hochhob, um Tasko das Futter hineinzustellen, versuchte sie hineinzuschauen. Kinuli war viel größer als der junge Luchs. Ich befürchtete Schlimmes für den Kleinen und zögerte daher die Bekanntschaft der beiden hinaus. Meine Befürchtungen erwiesen sich aber als überflüssig.
    Einmal hatte ich die Kiste nicht gleich wieder zugedeckt. Ich war kaum weggegangen, da war Kinuli auch schon da! Sie stieg am Rande hoch und äugte
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