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Vierbeinige Freunde

Vierbeinige Freunde

Titel: Vierbeinige Freunde
Autoren: Wera Tschaplina
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Zimmer, sondern im Wald.
    Bald hatte er seine Brüder im Zoo an Wuchs überholt. Sein Pfötchen war schön gerade geworden, das Auge klar, und das Fellchen glänzte von Sauberkeit. Sogar sein Charakter hatte sich gewandelt. Betrat ich früher das Zimmer, fauchte er und verschwand unter dem Schrank, jetzt dagegen sprang er mir entgegen, rieb sich an meinen Füßen und schnurrte. Er schnurrte genau wie eine Katze, nur lauter.
    Taskos Futter bestand aus Grießbrei, Eiern und Spatzen. O wie gern fraß er Spatzen! Das war sein Leibgericht. Er kannte genau die Zeit, zu der er sie bekam, war vorher schon aufgeregt, quirlte an der Tür herum und schrie. Kam ich dann herein, so stürzte er mir vor die Füße, fing die ihm zugeworfenen Spatzen im Fluge, ergriff sie geschickt mit den Vorderpfötchen und dann erst mit den Zähnen und verschwand regelmäßig damit unter dem Schrank.
    Tasko spielte sehr gern. Bevor er Fleischstückchen oder Spatzen verzehrte, mußte er unbedingt erst damit spielen. Bald warf er sie hoch, bald trieb er sie mit den Vorderpfötchen vor sich her; es hatte den Anschein, als glaube er, daß die Stückchen noch lebten.
    Tasko mußte lange allein bleiben, aber ganz offensichtlich halte er einen Hang zur Geselligkeit. Er lief wie ein Hündchen hinter mir und Schura her, und wenn wir dann weggingen, schrie er laut und schrill. Das war jetzt nicht mehr das frühere, durch den Verlust der Mutter erboste Tierchen, sondern ein kleiner Luchs.
    Und wie alle Kinder, brauchte er einen Gefährten.
    Ihre Charaktere stimmten nicht überein
    Kinuli betrat das Zimmer, als sei der Luchs nie darin gewesen. In ruhiger, sicherer Gangart kam sie bis zum Teppich vor und legte sich darauf nieder. Eingedenk des ersten mißglückten Annäherungsversuches, der mit einer Rauferei endete, hatte ich einen Lappen zurechtgelegt, doch bedurfte ich seiner nicht. Unter dem Schrank lugte das runde, spitzbübische Frätzchen Taskos hervor, und seine gar nicht bösen Äuglein verfolgten neugierig das Löwenjunge. Es war sehr interessant, diese beiden einander ähnlichen und doch so verschiedenen Tiere zu beobachten. Kinuli liegt da, nur die Augen bewegen sich, Tasko aber läuft um sie herum, schlägt mit der Pfote nach ihr – doch genügt die leiseste Regung des Löwen, und schon ist der Luchs unter dem Schrank verschwunden.

    Von da ab ließ ich sie täglich zueinander. Kinuli, das konnte man sehen, hatte die ihr zugefügte Kränkung nicht vergessen. Sie tat, als bemerke sie den Luchs gar nicht, der Luchs aber suchte nähere Bekanntschaft. Doch dauerte es noch eine geraume Zeit, ehe sie sich einander näherten. Viele weitere Tage vergingen, ehe meine Pfleglinge anfingen, miteinander zu spielen. Sie taten das erst ganz vorsichtig, ohne einander zu berühren, wobei sie immer einigen Abstand wahrten. Tasko springt unter dem Schrank hervor und stürzt sich wie ein Wirbelsturm auf das Löwenjunge. Schon glaubt man, er wird es umreißen, doch im letzten Augenblick hält er inne und schnurrt. Dies Schnurren war ein äußerst heimeliger Ton, er klang wie ein abgerissenes „hm“. Das bedeutete eine zärtliche Anfrage. Mit solchen Tönen unterhält sich die Luchsmutter mit ihren Jungen. Tasko aber wollte damit zu verstehen geben, daß er Kinuli nicht wehe tun wolle.
    Bei der Beobachtung meiner Zöglinge verfolgte ich aufmerksam ihre Bewegungen, lauschte den ausgestoßenen Tönen und versuchte mich darin zurechtzufinden, sie zu verstehen. Und so manches Mal gelang es mir auch.
    Warum kam Tasko immer so lärmend an das Löwenjunge heran? Warum unbedingt seitlich der Schnauze? Konnte er nicht anders? O nein! Taskos Pfötchen konnten ganz unhörbar leise über das Parkett gleiten, und seinen Feind fällt er immer von hinten an. Doch das hier war ja nicht sein Feind! Allerdings auch kein Freund. Sie waren eben noch nicht genügend bekannt miteinander, trauten sich gegenseitig noch nicht so recht. Das Löwenjunge könnte erschrecken und mit der Pfote zuschlagen. Man mußte es also vorbereiten, und Tasko machte seinen Spielgefährten auf sich aufmerksam. Ich aber sitze da und überlege. Diese meine Beobachtungen können für mich von Nutzen sein. Muß ich mich einem Tier nähern, so werde ich es ebenso machen. Man kann auch von Tieren lernen! Und ich beobachte und lerne weiter.
    Mit jedem Tag wurden ihre gegenseitigen Annäherungsversuche beherzter. Ihr Spiel verlief meist in der gleichen Folge: Tasko fiel Kinuli an und sprang, beweglich und flink, wie
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