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Sterne einer Sommernacht

Sterne einer Sommernacht

Titel: Sterne einer Sommernacht
Autoren: Nora Roberts
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PROLOG
    Z wanzig war Devin MacKades Meinung nach ein grässliches Alter. Man war zwar alt genug, um für sein Tun verantwortlich gemacht werden zu können oder um eine Frau zu lieben. Und doch war man nach Recht und Gesetz noch nicht vollständig erwachsen.
    Noch zwölf Monate, dann hatte er es hinter sich.
    Als dritter von vier Brüdern musste er mit ansehen, wie ihm Jared und Rafe ins Erwachsenenalter vorausgeeilt waren. Shane war ein Jahr jünger als er. Nicht dass er es etwa besonders eilig gehabt hätte, erwachsen zu werden, nein, das wirklich nicht. Er hatte seine Kindheit und Jugend genossen, doch langsam wurde er ungeduldig. Methodisch wie er war, begann er Pläne für seine Zukunft zu schmieden.
    Die kleine Stadt Antietam, Maryland, würde Augen machen, wenn sich herumsprach, dass er sich dafür entschieden hatte, das Gesetz aufrecht zu halten, statt es zu brechen. Oder zu beugen.
    Seine Mutter hatte ihn mit Engelszungen dazu überreden müssen, aufs College zu gehen, doch nachdem diese Hürde erst einmal genommen war, hatte ihm das Lernen viel Spaß gemacht. Die Kurse in Rechtswissenschaft, Kriminologie und Soziologie faszinierten ihn. Wie und warum Regeln für eine Gesellschaft aufgestellt wurden und wie für ihre Einhaltung gesorgt wurde. Manchmal erschien es ihm fast, als hätten all diese Gesetzbücher und Vorschriften, diese Ideale nur darauf gewartet, von ihm entdeckt zu werden.
    Deshalb hatte er sich dazu entschlossen, Polizist zu werden.
    Eine Entscheidung, die er bis jetzt noch für sich behalten hatte. Seine Brüder würden ihn zweifellos nur damit aufziehen. Selbst Jared, der Rechtsanwalt werden wollte und schon kurz vor dem Examen stand, würde kein Erbarmen kennen. Nicht dass ihm das etwas ausgemacht hätte. Devin wusste sehr gut, dass er es jederzeit mit seinen drei Brüdern aufnehmen konnte, gleich ob mit Worten oder mit den Fäusten. Und dennoch war er der Ansicht, dass es sich bei seiner Berufswahl um eine persönliche Angelegenheit handelte, die im Moment nur ihn allein etwas anging.
    Er war sich allerdings auch bewusst, dass man im Leben nicht alles bekam, was man sich wünschte. Der Beweis dafür lag direkt vor seiner Nase – oder besser gesagt, er servierte ihm im Moment hier in Ed’s Café gerade die Spezialität des Hauses und errötete bis unter die Haarwurzeln angesichts Rafes übermütiger Frotzeleien.
    Sie war klein und schlank – wahrscheinlich wog sie nicht mal hundert Pfund – und so zart wie eine Rosenknospe. Hellblondes Engelshaar umfloss ein Gesicht, das aus nichts als riesigen grauen Augen zu bestehen schien, wie ein Heiligenschein. Eine kleine Stupsnase. Und ein Mund, der wahrscheinlich der am schönsten geschwungene im ganzen Land war.
    Feingliedrige Hände, die, wie Devin wusste, fachmännisch mit Tellern, Kaffeekannen und Gläsern jonglieren konnten.
    Am Ringfinger der rechten Hand steckte ein schmaler goldener Ring, der mit einem Diamantsplitter besetzt war, der so unscheinbar war, dass man ihn kaum sah.
    Ihr Name war Cassandra Connor, und ihm schien, dass er sie schon sein ganzes Leben lang liebte. Auf jeden Fall kannte er sie schon sein ganzes Leben, sie waren zusammen aufgewachsen, und er hatte sie immer als etwas Besonderes betrachtet. Als ihm eines Tages klar wurde, dass er in sie verliebt war, hatte er es nicht gewagt, ihr seine Gefühle zu offenbaren.
    Und genau da lag das Problem. Nachdem er sich nämlich endlich dazu durchgerungen hatte, war es zu spät gewesen. Joe Dolin war ihm zuvorgekommen. Im Juni machte sie ihren Highschool-Abschluss, und dann würden die beiden heiraten. Und es gab nichts, was er dagegen unternehmen konnte.
    Er musste sich Mühe geben, ihr nicht nachzustarren, als sie nun die Nische verließ und zur Theke zurückging. Seine Brüder hatten scharfe Augen, und der Gedanke, von ihnen wegen einer so intimen und demütigenden Angelegenheit, wie es eine unerwiderte Liebe nun einmal war, gehänselt zu werden, war ihm unerträglich.
    Also schaute er aus dem Fenster hinaus auf die Hauptstraße. Das war unverfänglich, und der Anblick stimmte ihn tröstlich. Eines Tages würde er dieser Stadt, die eine so komplizierte und wichtige Rolle in seinem Leben spielte, dienen und die Menschen, die in ihr lebten, beschützen.
    Das war es, wozu er sich berufen fühlte.
    Er hatte eine sehr enge Beziehung zu seiner Heimatstadt. Manchmal, wenn er alte Bilder aus dem Bürgerkrieg betrachtete, sah er sie ganz deutlich vor sich, wie sie damals gewesen war.
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