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Vierbeinige Freunde

Vierbeinige Freunde

Titel: Vierbeinige Freunde
Autoren: Wera Tschaplina
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    UNSER ZOOLOGISCHER GARTEN
    An Stelle eines Vorworts
    Von frühester Kindheit an, soweit ich mich erinnern kann, hatte ich eine große Vorliebe für Tiere. Die Beschäftigung mit ihnen hatte einen großen Reiz für mich. Noch als halbwüchsiges Mädchen trat ich im Frühjahr 1924 meine Arbeit im Zoologischen Garten an. Damals war der Zoo noch ziemlich leer, und nur wenige Besucher kamen. Von großen Tieren saßen nur Wölfe und Bären in den Käfigen, es gab weder Löwen noch Tiger.
    Gleich zu Beginn meiner Arbeit beteiligte ich mich an einem Studienzirkel junger Biologen des Zoologischen Gartens unter der Leitung unseres ersten Lehrers Peter Alexandrowitsch Manteifel.
    Was habe ich in den langen Jahren meiner Tätigkeit nicht alles für Tiere aufgezogen und gezähmt! Angefangen von jungen Feldmäuslein, die kaum größer als eine Erbse waren, bis zu Löwen, Tigern und Leoparden. Und von diesen meinen vierbeinigen Freunden will ich in diesem Buch erzählen.
    Unser Zirkel war nicht groß und glich einer einträchtigen Familie. In Freud und Leid waren wir eng mit unserem Zoo verbunden. Und es gab nicht wenig Gutes. Gegen Ende des Jahres 1924 füllte sich unser Zoo mit Tieren. Sie kamen zu uns gleich scharenweise von überallher, aus allen Teilen der Welt. Wir hatten bald nicht mehr genügend Platz für die Tiere. An jedem freien Plätzchen wurde ein neuer Käfig aufgestellt, ein neues Gehege geschaffen. Die alten wurden umgebaut und erweitert.
    Gleichzeitig wurde neues Gelände hinzugenommen und ganz modern eingerichtet. Da gab es ausgedehnte Gehege für die Hirsche, Berge für die Ziegen, und die Raubtiere sollten einen geräumigen Auslauf bekommen, der an Stelle eines Gitters von einem Wassergraben umgeben sein sollte. Diese Einrichtungen entstanden alle vor unseren Augen. Wir, die Mitglieder des Studienzirkels, kannten hier jedes einzelne Steinchen. Während wir die Arbeiten an der Raubtierinsel verfolgten, stritten wir darüber, ob die Raubtiere wohl imstande sein würden, den die Insel umgebenden Wassergraben zu überspringen.
    Der Tag der Eröffnung des neuen Geländes stand vor der Tür. Schon waren die Tiere dorthin übergeführt. Der Sumpf wimmelte von Vögeln, auf dem Wisenthügel standen Wisent und Jak. Auch die Raubtiere waren bereits in ihren neuen Wohnungen, Käfigen inmitten der Insel, untergebracht. Diese Käfige hatten alle einen Ausgang nach dem Freigelände hin.
    Vor Eröffnung des Zoo mußte man sich erst vergewissern, daß die Raubtiere den sie umgebenden Wassergraben nicht. überspringen konnten. Diese Prüfung konnte nur in den frühesten Morgenstunden vorgenommen werden, wenn die Stadt noch schlief. Am Vorabend dieses denkwürdigen Tages ist wohl kaum einer der Mitarbeiter des Zoo nach Hause gegangen. Ich war zwar weggegangen, war aber so aufgeregt und hatte solche Angst, es zu verschlafen, daß ich schon um drei Uhr nachts zurückkehrte. Trotz dieser frühen Stunde waren bereits alle versammelt.
    Als es zu dämmern begann, wurden die Tiger herausgelassen. Wärter, das Gewehr im Anschlag, behielten die Tiere scharf im Auge. Fünf Tiger machten vorsichtig einige Schritte und setzten sich. Der Freiheit ungewohnt, auf dem Holzfußboden des Käfigs groß geworden, bekamen sie wohl Angst vor der Erde und der Weite des Raumes. Wie junge, hilflose Kätzchen zitterten diese großen, starken Katzen aus Furcht vor dem Unbekannten. Nach und nach beruhigten sie sich und fingen an, einen Ausweg suchend, umherzuwandern. Sie richteten sich auf den Hinterbeinen auf, beschnupperten die Wände und versuchten, über den Graben zu springen, kamen aber nicht hinüber. Sie plumpsten in das kalte Wasser des Grabens, fauchten und beeilten sich, von dort wieder herauszukommen. Nach einigen mißglückten Versuchen gaben sich die Tiger zufrieden. Doch für alle Fälle beließ man noch einige Wärter als Aufpasser.
    Jetzt wurden die Luchse herausgelassen. Wir hatten zwei. Beide waren erst vor ganz kurzer Zeit im Eisen gefangen worden. Der eine von ihnen war lahm, das Ende des einen Hinterbeines war ihm abgeklemmt worden. Es erwies sich als äußerst schwierig, die Luchse aus dem Käfig zu bringen. Sie hatten sich in einem Winkel verkrochen und wollten nicht hinaus. Endlich, nach vieler Mühe, gelang es, den einen hinauszujagen. Auf der offenen Terrasse kroch er ganz in sich zusammen; dann sah er die Menschen, fauchte, drückte sich flach an die Erde und lief plötzlich, ohne jeglichen Anlauf, als wäre es ein
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