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Vierbeinige Freunde

Vierbeinige Freunde

Titel: Vierbeinige Freunde
Autoren: Wera Tschaplina
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altgewohnter Bergpfad, eine fast senkrechte Wand hinauf. Das ging alles mit einer solchen Schnelligkeit vor sich, daß der Luchs im Bodenfenster des Nachbarhauses verschwunden war, ehe einer der Umstehenden ihn daran hätte hindern können. Im Handumdrehen waren alle Bodenfenster mit Brettern vernagelt, und trotzdem gelang es uns erst am nächsten Tage, des Luchses habhaft zu werden.
    Das Umsiedeln der übrigen Tiere – der Füchse, Bären, Wölfe – geschah ohne besondere Schwierigkeiten.
    Endlich wurde das neue Gelände für das Publikum freigegeben, und die Besucher wurden eingelassen. Zaghaft und etwas unsicher näherten sich die ersten von ihnen der Raubtierinsel. Die Gräben sah man ja erst, wenn man dicht davorstand. Von weitem hatte es den Anschein, als liefen die Tiere frei umher, und das erzeugte natürlich ein gewisses Angstgefühl. In den ersten Tagen gab es viele Besucher, die sich nicht an die Raubtierinsel heranwagten. Selbst die Beherzteren vereinigten sich erst zu Gruppen, ehe sie näher herantraten.
    Das neue Zoo war eröffnet, und damit gestaltete sich auch unsere Arbeit ganz neu.
    Die wissenschaftlichen Arbeiten, die bisher im alten Zoologischen Garten mit den engen Käfigen durchgeführt worden waren, konnten hier viel besser fortgesetzt werden. Die Tiere wurden beobachtet, es wurde festgestellt, womit sie am besten zu füttern sind und wie ihre Pflege beschaffen sein muß.
    Große Aufmerksamkeit wird im Zoo der Aufzucht der Jungtiere gewidmet. Die Tierkinder werden, genau wie die Menschenkinder in den Säuglingsheimen, gewogen und gemessen. Nur daß dies bei den Menschenkindern bedeutend einfacher vor sich geht als bei den Tierkindern.
    Man muß genau wissen, was das Junge für eine Mutter hat. Ist diese zahm, so ist es mit dem Jungen ein leichtes, ist aber die Mutter wild, so muß man vorsichtig sein. Manchmal war es sehr schwierig, sich eines Jungtieres zu bemächtigen. Erst mußte die Mutter weggelockt werden, dann mußten die gewaschenen Hände mit der Neststreu eingerieben werden, denn man lief Gefahr, daß die Mutter, wenn sie einen fremden Geruch an ihren Kleinen wahrnähme, aufhören würde, sie zu säugen, oder sie gar totbeißen würde.
    Wir jungen Biologen waren mit großem Eifer tätig. Ganze Tage und oft auch die Nächte verbrachten wir im Zoo. Die einen interessierten sich für Vögel, die anderen für Insekten oder Fische, mich aber fesselte am meisten die Arbeit bei den Jungtieren. Ich hatte mir vorgenommen, die Jungtiere zu zahmen Tieren aufzuziehen, an die man ruhig herangehen und die man mit den Händen berühren und liebkosen konnte, ohne befürchten zu müssen, von ihnen gebissen zu werden.
    Es war üblich, daß im Frühjahr eine Menge Jungtiere aus allen Teilen der Sowjetunion in den Zoo gebracht wurden. Im Zoo selbst gab es Jungtiere, die nicht von der Mutter gesäugt wurden, sie mußten dann künstlich ernährt und aufgezogen werden. Darunter waren oft interessante und wertvolle Tiere.
    Im Jahre 1933 wurde mir die Aufzucht aller Jungtiere, die ohne Mutter geblieben waren, übertragen.
    Das war eine äußerst schwierige Aufgabe. Man konnte sich zwar sehr leicht ein Buch beschaffen, in dem genau beschrieben war, wie man ein Kalb aufziehen soll; wie man aber einen kleinen Luchs oder gar die Jungen eines Vielfraßes pflegen soll, darüber war nirgends etwas geschrieben. Das mußte man alles selbst herausbekommen, und oft mußte man an begangenen Fehlern lernen.
    Die Jungtiere waren bisher über den ganzen Zoo verteilt gewesen, und wir hatten viel kostbare Zeit für die Wege verbraucht. Daher beschloß ich, ein Sammelgehege für die gesamten Jungtiere einzurichten. Mein Ziel war nicht nur, die Jungtiere gesund und kräftig aufzuziehen, ich wollte es auch dahin bringen, daß die verschiedenen Tiere lernen sollten, friedlich miteinander zu leben.
    Bei der Ausführung meines Vorhabens wurde ich tatkräftig von der Zootechnikerin Lipa Panewina und der Praktikantin Wita Ostanewitsch unterstützt.
    Viel Kopfzerbrechen machte uns die Einrichtung des Geheges. Wir machten es folgendermaßen: Die einzelnen Behausungen für die verschiedenen Tiere stellten wir rings um eine große, freie Terrasse auf. Diese Terrasse diente allen Tieren als gemeinsamer Auslauf. Jedes Tier fand hier Spielsachen und allerhand Kurzweil für sich vor.
    Auch ein Wasserbehälter war da, in dem die Tiere gern an heißen Tagen badeten. Mit einem Wort, es war ein richtiger Kindergarten für kleine Tierkinder,
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