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Heißer Schlaf

Heißer Schlaf

Titel: Heißer Schlaf
Autoren: Orson Scott Card
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1

    Jas Worthing wurde nur aufgrund der Regierungsverordnung FN3xxR5a am Leben erhalten, und er wußte es. Das mußte ihm ein Dozent der Pädagogik nicht erzählen. Aber wenn Hartman Tork erst einmal einen Vortrag begonnen hatte, war er nicht mehr zu bremsen.
    »Es ist völlig unmöglich, Jas Worthing, daß du den Test so perfekt bestehen konntest. Die Information ist geheim und wurde lediglich durch einen Programmfehler im Computer gespeichert …«
    »Durch Ihren Fehler«, gab Jas zu bedenken.
    »Vielleicht war es überhaupt kein Fehler«, sagte Tork und lief vor Wut im Gesicht rot an. »Vielleicht haben wir etwas über dich herausgefunden, das wir verzweifelt wissen wollten. Du hättest es unmöglich aus einer anderen Arbeit abschreiben können …«
    »Wollen Sie mich des Betruges bezichtigen? Das Jugendstrafrecht verlangt nämlich eine korrekte Vernehmung und einwandfreie Beweisführung …«
    Tork wirbelte auf seinem Drehstuhl herum und stand auf. Er ging um sein Pult mit dem eingebauten Computer herum und trat bis auf einen Meter an Jas heran. Wie schon hundertmal vorher, erlebte Jas auch heute wieder das elende Gefühl eines Kindes, das erkennt, daß die Lage aussichtslos ist und daß es erst weiter in die Zukunft hineinstolpern muß, um so groß zu werden wie die, von denen es heute manipuliert wird – oder die das wenigstens versuchen.
    »Ich habe jetzt genug«, sagte Tork leise und legte in seine Worte einen drohenden Unterton; und obwohl Jas wußte, daß eine solche Drohung nur aufgesetzt war, um die Kleinen und Schwachen einzuschüchtern, wußte er doch auch, daß hinter dieser Fassade eine höchst reale Drohung steckte. »Ich habe genug von deiner dreisten, neunmalklugen Selbstsicherheit. Jetzt machst du den Test nochmal.«
    Ganz gegen seinen Willen zitterte Jas, aber seine Stimme blieb fest. »Es sei denn, Sie könnten eine strafbare Handlung nachweisen …«
    »Ich kenne das Jugendstrafrecht, Jas. Und ich brauche keine strafbare Handlung nachzuweisen, wenn ich etwas anderes nachweisen kann.«
    Sein triumphierender Blick war beunruhigend. Jas hielt sich an der nächsten Konsole fest. »Ich habe nicht betrogen, Mr. Tork, und wenn Sie keinen Zeugen haben …«
    »Das Gesetz, mein Junge, ist recht dehnbar, wenn Telepathie im Spiel ist.« Er unterstrich seine Worte, indem er mit dem Finger auf das Pult klopfte.
    »Sie nennen mich einen Telepathen, Mr. Tork?« fragte Jas, und diesmal zitterte auch seine Stimme. »Das ist üble Nachrede, Mr. Tork, wenn Sie nicht beweisen …«
    »Daran arbeite ich gerade, mein Junge. Und jetzt ‘raus.«
    Jas ging heraus. Aber an der Tür rief Tork ihn zurück. »Du bekamst die Antworten aus meinem Kopf, und das werde ich beweisen! Du hast den Test bestanden, indem du mein Gehirn angezapft hast!«
    Jas drehte sich um und sagte: »Professor Tork, wer die Wahl hat, würde bei klarem Verstand doch nicht ausgerechnet Ihr Gehirn anzapfen.« Torks Antwort war ein böses Lächeln. Aber Jas fühlte sich, nachdem er das gesagte hatte, ein wenig besser.
    Auf dem ganzen Nachhauseweg fühlte er sich angeschlagen und schwach.
    Seine Mutter empfing ihn an der Wohnungstür. »Nun, wie war’s?« fragte sie und verdrängte die Angst aus ihrer Stimme, als ob er sie nicht von ihrem Gesicht ablesen könnte.
    »Tork hat ziemlich geschrien.«
    »Was war mit dem Nachweis? Hast du den Nachweis erbracht?«
    »Dein Blut-Test war in Ordnung, Mom.« Jas setzte sich auf das zum Bett heruntergeklappte Sofa im Wohnzimmer. »Tut mir leid, daß sie dich pieksen mußten.«
    Seine Mutter setzte sich neben ihn und nahm seine Hand. Ihre Handflächen waren feucht. »Ich hatte solche Angst. Sie waren ihrer Sache so sicher.«
    »Sie mögen es nicht, wenn man sie bei ihren blöden Tests austrickst.« Jas legte sich auf dem Bett zurück und atmete tief durch. »Ich muß mich ein wenig ausruhen, Mom«, sagte er. Seine Mutter nickte, stand auf und ging in das mit Bad und Küche kombinierte Eßzimmer, um nach dem Essen zu klingeln.
    Jas lag auf dem Bett, und sein Herz klopfte heftig. Wie dumm von ihm. Er hätte sich doch denken können, daß sie es wußten. Aber es war so leicht gewesen – mit dem Test vor sich hatte er Tork nur angeschaut und ganz klar die Antworten erkannt. Direkt hinter Torks Augen. Es war, als hätte Jas für einen Augenblick ganz vergessen, daß Telepathie ein Kapitalverbrechen war. Er hatte in dem Moment tatsächlich nicht daran gedacht, daß es Telepathie war. Dieses Talent hatte sich bei ihm
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