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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle
Autoren: Deborah Hale
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1. KAPITEL
    M aura Woodbury bewegte sich im Schlaf, spürte, wie die starken Arme ihres Geliebten sie umfangen hielten, und kuschelte sich fester in seine Umarmung. Nie zuvor war sie glücklicher gewesen – und nie ängstlicher.
    Rath Talward schreckte aus dem Schlaf, jeder einzelne Muskel seines Körpers spannte sich, kampfbereit tastete er mit der rechten Hand nach seiner Waffe. Als er nur die zarte Haut seiner Geliebten fühlte, wich seine Anspannung. Er drückte die Lippen auf ihre Stirn.
    “Ist es wirklich wahr?”, flüsterte er und zog sie fester an sich. “Oder habe ich alles nur geträumt?”
    Maura lachte leise. “Hier ist es zu schön, um wahr zu sein, nicht wahr?”
    Sie hatten einige Stunden im Gras der Geheimen Lichtung geschlafen. Die aufgehende Sonne über den Baumwipfeln färbte den Himmel rot, der leuchtende Mittsommermond verblasste langsam. Er hatte den Liebenden ein süßes und zugleich schreckliches Wunder enthüllt.
    “Die meiste Zeit meines Lebens habe ich auf dem Boden geschlafen.” Rath streckte seinen schlanken Körper. “Aber so hat es sich bisher nie angefühlt.”
    Maura nickte und rieb zärtlich ihren Kopf mit der zerzausten Lockenmähne an seiner Schulter. Seit Beginn ihrer Suche, die sie hierher geführt hatte, hatte auch sie manch unruhige Nacht auf harter Erde verbracht. Doch das dicke Graspolster war bequemer als so manches ordentliche Bett; die weiche, warme Erde hatte sich ihren Körpern angepasst und sie ruhig schlafen lassen.
    Auch nicht die leichteste Nachtkälte streifte ihre nackte Haut, die Dunkelheit umhüllte sie, warm, aber schwerelos. Keine Königin und kein König hätte nach einem luxuriöseren Ruheplatz verlangen können … oder nach einem friedlicheren Liebesnest.
    Der Gedanke jagte Maura einen leisen Schauer über den Rücken und sorgte dafür, dass sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Vor vielen Wochen hatte sie ihre Suche nach dem Wartenden König begonnen, den sie erwecken sollte – nach dem legendären Krieger, dessen Bestimmung es war, ihr Volk zu befreien … und ihr Gatte zu werden. Wegen des Mordes an ihrem Vormund, einem Zauberer, war sie gezwungen gewesen, sich von Rath beschützen zu lassen.
    Zu Anfang hatte sie dem unbarmherzigen Gesetzlosen mindestens genauso misstraut wie er ihr wegen ihrer bescheidenen Zauberkünste. Doch jeder Tag ihrer Reise, jede neue Herausforderung und jede überstandene Gefahr hatten das Band aus Vertrauen und Respekt zwischen ihnen fester werden lassen. Und ihr verbotenes Verlangen geschürt.
    “Ist dir kalt, Liebste?” Rath legte die Wange auf Mauras Scheitel, strich mit seiner großen warmen Hand über ihren Arm und ließ sie schließlich auf ihrer Hüfte ruhen. “Soll ich meinen Mantel über uns breiten?”
    Maura schüttelte den Kopf. Sie wünschte, es wäre tatsächlich ein kalter Windstoß gewesen, der sie hatte erzittern lassen. “Halte mich einfach noch fester.”
    “Ich bin mir nicht sicher, dass ich das kann, ohne dir wehzutun.”
    “Letzte Nacht konntest du.” Maura ließ die Hand bis auf seinen Schenkel hinuntergleiten. “Obwohl du mich vor den Schmerzen gewarnt hast, hat es mir viel Vergnügen bereitet.”
    Bei Sonnenuntergang hatten sie die Lichtung betreten, fest entschlossen, den Wartenden König zu erwecken, auch wenn das das Ende ihrer uneingestandenen Liebe bedeutete. Doch stattdessen enthüllte der gütige Mond, dass es sich bei Rath höchstpersönlich um den Wartenden König handelte, dessen Edelmut Maura während ihrer gemeinsamen Reise erweckt hatte. Glücklich über diese Entdeckung hatten sie keine Zeit verloren, sich ihrer Leidenschaft endlich hinzugeben.
    Jetzt fragte sich Maura, ob sie damit womöglich versucht hatten, den vielen quälenden Fragen auszuweichen, die sich auf ihre Zukunft bezogen. Es hatte wunderbar funktioniert und deswegen suchte sie angesichts der aufsteigenden Zweifel Glück und Vergessen dort, wo sie beides immer finden würde.
    “Schon wieder?” Raths dunkle Augen glänzten vor Verlangen. “So bald?”
    Fest an ihn geschmiegt warf sie ihm unter langen Wimpern einen verführerischen Blick zu. “Zu früh für dich, nicht wahr?”
    Rath warf den Kopf in den Nacken, sein muskulöser Körper bebte vor Lachen. “Wenn du die Wahrheit nicht
spürst
, dann bist du nicht halb so schlau, wie ich geglaubt habe.”
    Sie liebten sich wieder, doch diesmal anders als in der Nacht zuvor, denn jetzt konnten sie sich im sanften Licht der Morgenröte sehen,
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