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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
Autoren: Johannes Clair
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Lastwagen. Jemand hatte sie zur Seite geschoben. Das Flughafengebäude, vor dem wir jetzt standen, war eine Betonruine, die in blassem Blau schimmerte und mit Einschusslöchern aus vergangenen Zeiten übersät war. Ein paar bewaffnete deutsche Soldaten standen gelangweilt herum, und ich war froh, als ich in der Schlange der Wartenden endlich in das Gebäude treten durfte.
    Name? Personenkennziffer?
    Ich gab die Antworten schnell, denn ich war seit dem Abflug in Usbekistan nicht auf der Toilette gewesen. Während ich in Richtung der bereits Abgefertigten ging, sprach ich einen der deutschen Soldaten an, die mit Schutzweste und Waffe in der Eingangshalle standen.
    ’tschuldigung, wo kann man hier pissen?
    Da hinten am Ende des Ganges links, war die kurze Antwort. Mit einer Kopfbewegung wies er mir die Richtung.
    Kannst du mal eben auf meine Sachen aufpassen?, fragte ich Hardy im Vorbeigehen und schlenderte zum Klo.
    Die Tür war nur noch an einem Scharnier befestigt. Als ich eintrat, blieb ich verdutzt stehen. Ich hatte das Gebäude gesehen und keinen Luxus erwartet, aber trotzdem war ich auf diesen Anblick nicht vorbereitet gewesen. Die Kabinen waren nicht durch Türen abgetrennt und statt Schüsseln gab es nur Löcher im Boden. Da kann ich mich unmöglich hinhocken, dachte ich und ging zu den Pissoirs. Ein braungelb schimmerndes, von dunkelgrauen Flecken übersätes und mit tief schwarzen Rändern garniertes Keramikbecken empfing mich. So etwas hatte ich noch nicht gesehen. Überall war Dreck, Schimmel tummelte sich zentimeterdick unter dem Rand, und zwischen den zerstörten Fliesen auf dem Boden sammelte sich das Wasser in kleinen, dunkelgrünen Pfützen. Ich betrachtete den Raum, als würde ich mich auf einem anderen Stern befinden und nicht an einem Ort, an dem die gleiche Spezies lebte wie bei mir zu Hause. Trotzdem ließ die Anspannung, die ich seit dem Abflug in Termez in mir hatte, deutlich nach.
    Das deutsche Feldlager und der Flughafen lagen zusammen mit einem amerikanischen Camp und einer Ausbildungseinrichtung für afghanische Polizisten auf einem Plateau außerhalb der Stadt Kundus. Die Zufahrt dorthin wurde durch einen afghanischen Armeeposten und eine Schranke gesichert. Provincial Reconstruction Team Kundus stand auf einem großen Schild am Eingangstor des Feldlagers, als wir uns vom Flughafen aus näherten.
    Seht ihr, deshalb sind wir hier!, rief Mica und zeigte auf das Schild. Die Provinz wieder aufbauen.
    Also, ich bin hier, um in Ärsche zu treten, zischte Jonny zurück. Wir zeigens diesen Pissern und in sechs Monaten sind wir wieder zu Hause.
    Muli lachte: Sechs Monate? Schaun wir mal.
    Die Zufahrt wurde von einer hohen Wand aus Hescos gesäumt. Diese mit Schutt gefüllten viereckigen Drahtkörbe waren etwas über einen Meter hoch und konnten zu einer Mauer gestapelt werden. So boten sie Schutz vor Angriffen und Geschossen. Das gesamte Feldlager war voll von ihnen. Jedes Gebäude, jeder Schuppen, jeder Bereich war von Hescos umgeben.
    Als wir das Lagertor hinter uns gelassen hatten, suchte ein afghanischer Wachmann den Mungo mit einem Spiegel von unten ab, um Sprengsätze zu finden. Ein deutscher Soldat stand dabei und grüßte freundlich mit einer Handbewegung.
    Als wir ins Lager einfuhren, tat sich eine vollkommen andere Welt auf: Sauber geschotterte Straßen in bestem Zustand wurden von betonierten Abwasserrinnen eingerahmt. An den Rändern waren akkurat Rosenbüsche gepflanzt worden und junge Bäume wuchsen zwischen den Gebäuden und den Wegen. Das Lager war fast schachbrettartig angelegt und staubig, wirkte aber sehr aufgeräumt. Ich sah Zelte in verschiedenen Größen sowie feste Gebäude, dazwischen Container, überall Container. Die Schornsteine der Klimaanlagen blitzten silbern in der Sonne. Ich konnte Fahrzeuglärm hören und dazwischen das gleichmäßige Brummen der Stromgeneratoren. Über den Abwasserrinnen, die staubtrocken in der Sonne lagen, waren an verschiedenen Stellen Bretter gelegt worden, um die Wege abzukürzen. Es waren nicht viele Soldaten zu sehen, aber ein paar Geländewagen und Gabelstapler fuhren herum. Dazwischen liefen Afghanen in weiten Gewändern, die Schaufeln mit sich trugen. Wir hielten an einem großen, sandfarbenen Gebäude mit einem blauen Holzschild davor: Hauptbahnhof Lummerland.
    Hier ist die Betreuungseinrichtung mit Bar und Fitnessraum, rief der Fahrer nach hinten. Übrigens, im ganzen Feldlager gibt es über 70 Baustellen, die von afghanischen
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