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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
Autoren: Johannes Clair
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wenige Monate vor dem Einsatz zu uns gestoßen und damit einer der Letzten, die in die Gruppe kamen. Seine infanteristische Ausbildung war lange nicht so gut wie unsere, aber er lernte schnell dazu. Jonny nahm ihn unter seine Fittiche. Bald hatten die beiden ein so enges Verhältnis, dass man immer wusste: Sah man den einen, war der andere nicht weit entfernt.
    Schließlich wurden Kruschka und ich überraschend für die Ausbildung am Gewehr G3 mit Zielfernrohr ausgewählt, weil sich alle anderen zu diesem Zeitpunkt auf Lehrgängen befanden. Wir beide waren schon mehrere Jahre Soldat und hatten genug Zeit auf der Schießbahn verbracht, um mit unseren regulären Waffen gut umgehen zu können. Pistole, Gewehr G36, Maschinengewehr. Aber was wir in den wenigen Wochen vor dem Einsatz bei der Ausbildung am G3 dazulernten, war absolutes Neuland.
    Es war eine Herausforderung, das schwere Gewehr mit derselben Leichtigkeit zu führen wie das kleinere G36, das fast nur aus Plastik bestand. Und die Art der Ausbildung hatte sich auch geändert. Diese neuartige, uns bisher unbekannte und von den Amerikanern übernommene Methode vermittelte uns zum ersten Mal den Eindruck, dass das Training uns wirklich auf die Praxis vorbereitete. Es schien direkt aus der Kampferfahrung heraus zu kommen. Und je länger ich mit der Waffe trainierte, umso vertrauter wurde sie mir.
    Kruschka und mir sollte es mit diesem Gewehr mit Zielfernrohr im Gefecht zukommen, einzelne Ziele auszumachen und zu bekämpfen, während der Rest der Gruppe sich eher auf das Unterstützungsfeuer konzentrierte.
    Das alles war nur wenige Wochen her, und als ich wieder aus dem Fenster des Busses sah, waren wir dem Flughafen schon ein gutes Stück näher gekommen, und es würde nicht mehr lange bis zum Check-in dauern. Ich dachte an mein Zuhause, an meinen schönen Garten mit dem großen Kirschbaum. Wie gerne legte ich mich auf die Wiese in seinen Schatten. Ich würde dieses Jahr nichts von seiner reichen Ernte abbekommen. Ich dachte an meine kleinen Geschwister, denen ich versucht hatte, zu erklären, wohin meine Reise ging und was dort meine Aufgabe war. Hatten sie es verstanden? Unser letzter gemeinsamer Nachmittag fiel mir ein. Wir hatten Salate gemacht und Fleisch gegrillt. Es war unbeschwert, irgendwie leicht gewesen. Das helle Lachen meiner Geschwister hallte in meinem Kopf. Ich versuchte, mir ihre Stimmen vorzustellen, sie einzuschließen. Ich wollte sie fest in meinem Herzen bewahren. Doch je mehr ich mich anstrengte, an sie zu denken, desto weiter entfernt erschienen sie mir.
    Das Bewusstsein, dass es jetzt ernst wurde, veränderte mein Empfinden. Muli hatte mich vor ein paar Tagen noch mal zur Seite genommen. Er war schon oft im Einsatz gewesen und hatte immer alle seine Männer gesund zurückgebracht. Er glaube nicht, dass es diesmal so sein würde, hatte er mir gesagt. Als ich jetzt an seine Worte dachte, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
    Als der Abflugtermin immer näher gerückt war, hatte unser Kompaniechef angefangen, uns mit aktuellen Informationen aus Afghanistan und besonders aus der Region um Kundus, unserem Einsatzort, zu versorgen. Dabei war fast jeden Tag die Rede von Beschuss, von Gefechten, von Anschlägen auf unsere Kameraden. Eine weitere Kompanie unseres Bataillons, die vierte, befand sich gerade dort, und viele von uns hatten Bekannte und Freunde in dieser Einheit. Außerdem führte eine weitere Fallschirmjägerkompanie aus unserer Kaserne gerade genau den Auftrag in Kundus durch, den wir in Kürze zu übernehmen hatten. Wir saugten die spärlichen Informationen auf wie Schwämme. Leider wurden uns einfachen Mannschaftsdienstgraden nicht viele Fakten und Unterlagen zugänglich gemacht, so dass uns immer einige Stücke vom Puzzle zu fehlen schienen. Ich dachte daran, wie wenig die Bevölkerung in Deutschland über diesen Einsatz wusste, und dass selbst wir, die man als Soldaten dorthin schickte, so kurz gehalten wurden.
    Wir bekamen Bücher zur Landeskunde ausgehändigt. Aber das meiste erfuhren wir immer noch aus Gesprächen mit Kameraden, die schon einmal dort waren. Allerdings hatte sich die Sicherheitslage in Afghanistan den uns vorliegenden Informationen zufolge sich in den letzten Jahren so dramatisch verändert, dass wir diese Infos höchstens noch als grobe Orientierung werten konnten. Wir wussten, wir würden kämpfen müssen. Wir wussten, es würde um Leben und Tod gehen. Aber wir steuerten auf diese Wahrheit zu, die als
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