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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
Autoren: Johannes Clair
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Plastik, irgendwer hatte auch Aftershave benutzt.
    Wir kannten die Maschine gut, nannten sie liebevoll Trall. Die meisten von uns waren ebenso wie ich viel öfter mit ihr gestartet als gelandet, weil wir sie vorher mit dem Fallschirm verlassen hatten. Fallschirmjägeralltag. Wir hofften auf den gleichen frischen Windhauch, der uns immer empfing, wenn sich die Heckrampe einer Trall öffnete. Doch nichts geschah. Als die Rampe komplett offen war, stand die Luft immer noch. Alle blickten gespannt in das grelle Licht. Ich versuchte, etwas zu erkennen, musste aber die Augen zusammenkneifen. Schließlich griff jeder nach seinen Sachen und beeilte sich, hinauszukommen. Es gab ein großes Gedränge, vor und hinter mir flogen Flüche durch die Luft.
    Scheiße, pass doch auf!
    Du Penner!
    Wenn du schiebst, geht’s auch nicht schneller!
    Ich stolperte die Rampe herunter, weil mir während des Fluges von der Versorgungsbasis im usbekischen Termez nach Kundus die Beine eingeschlafen waren. So waren meine ersten Schritte auf afghanischem Boden sehr unsicher. Für einen kurzen Moment blieb ich hinter der Maschine stehen und blickte mich um. Da waren wir also.
    Ich sah eine gelblich schimmernde, von gleißendem Weiß durchzogene Geröllmasse, die sich über das ganze Hügelplateau erstreckte. Bräunliches Gestrüpp bedeckte flach den Boden. Über den kleinen Flugplatz verteilten sich Berge aus Schrott, alten Hubschraubern und irgendwelchem Müll, was einen jämmerlich trostlosen Anblick bot. In sanften Wellen zog sich die Landschaft bis zum Horizont, wo sie langsam mit dem Himmel verschwamm, und ein paar hundert Meter weiter war das amerikanische Feldlager als schmaler grauer Streifen mit ein paar Funkmasten zu erkennen. Der Staub in der Nase kitzelte mich, ich musste niesen.
    Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
    Na komm, los geht’s!
    Es war Muli, der mich mit einem freundlichen Klaps auf die Schulter in Richtung Gebäude schob. In einer langen Schlange wurden wir zur Aufnahme geführt. Jeder musste mit den Listen abgeglichen werden.
    Das ist doch nicht euer Ernst! Wir sind im Kriegsgebiet und es ist die gleiche Bürokratie wie in Deutschland. Da hätte ich auch gleich zu Hause bleiben können, bemerkte TJ launisch.
    Es war TJs Art, sich über alles und jeden aufzuregen. Er war mit seinen zwei Metern Größe und seiner schlanken Gestalt jemand, der alles überblickte und immer etwas zum Beschweren fand. In sein schmales, jungenhaftes Gesicht zogen sich dabei tiefe Falten, und seine Stirn runzelte sich deutlich. Er war unser Fahrer, der Fahrer meines Fahrzeuges, und zeigte ein erstaunliches Talent. Er hatte sich in den letzten Monaten wahnsinnig entwickelt. Wenn auch fast jeder von uns fahren konnte, so beherrschte TJ die großen gepanzerten Fahrzeuge im Gelände wirklich sicher. Ihm würde unterwegs die größte Verantwortung zufallen, denn unser Leben lag in der Hand seiner Kunst, das Fahrzeug sicher zu führen.
    Keine Angst, das wird noch schlimmer, bemerkte Muli, der weiter hinten stand. Ich hab das jetzt schon so oft mitgemacht, und es gibt nichts Schlimmeres als den Einweisungsmarathon am Anfang.
    Was wollen sie uns denn erzählen, dass es hier draußen gefährlich ist?
    Hardy versprühte den gleichen bissigen Sarkasmus, den er in der letzten Zeit immer offensichtlicher zur Schau stellte. Mit seinem langen Gesicht, seinem schlaksigen Gang und dem dünnen Körper ähnelte er einem etwas zu gutmütig wirkenden Büroangestellten. Weil er oft seinen Mund offen stehen ließ, erinnerte er mich ein wenig an Goofy. Aber in der letzten Zeit war er immer scharfzüngiger geworden.
    Hardy war einer der Wackelkandidaten gewesen. Das hatte Nossi ihm auch offen gesagt. Stressresistenz ist wichtig, und Hardy zeigte anfangs nicht viel davon. Aber weil er während der Ausbildungszeit immer strenger zu sich selbst wurde und alle mit seiner Ernsthaftigkeit überraschte, stand irgendwann fest, dass er Teil des Teams war. Während man bei TJ immer wusste, dass sein Unmut echt war, konnte man bei Hardy nie ganz sicher sein, aus welchem Grund er sarkastisch wurde. Aber mit seinen vielen bissigen Kommentaren hatte er die Gruppe mehr als einmal aus einem Stimmungstief geholt.
    Ich blickte nach oben. Der Himmel war wolkenleer. Als ob jemand ein Poster ausgerollt hätte, bildete sich bis zum Horizont eine gleichförmige, blaue Fläche ab. Auf dem Flughafengelände standen die Wracks alter russischer Militärhubschrauber neben ausgebrannten
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