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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte
Autoren: Hans Dominik
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Ein häßlicher, feuchtkalter Herbsttag. Auf den Sommersitzen der englischen Gesellschaft rüstete man zur Abreise.
    Die altersgrauen Mauern von Roßmore-Castle verschwammen im grauen Dunst des Hochmoornebels.
    Lord Roßmore schritt in seinem Arbeitszimmer unruhig auf und ab. Ein alter Diener trat ein.
    »Ist mein Sohn William noch nicht zurück?«
    »Jawohl, Euer Lordschaft! Mr. Hogan kehrte eben von der Jagd zurück!«
    »Er soll zu mir kommen!«
    Ein wenig später trat der Gerufene ein. Die sorgenvollen Züge Lord Roßmores schienen sich zu glätten, als sein Blick über das frische, wettergebräunte Gesicht seines Sohnes, über die schlanke, sportliche Gestalt im Jagddreß glitt. Doch dann wehrte er unwillig den Jagdhund ab, der ihm gefolgt war und tapsig an ihm hochsprang.
    William Hogan griff den Hund am Halsband.
    »Kusch dich, Hektor! - Nun, Vater?«
    Wortlos schritt Lord Roßmore an den Tisch und reichte seinem Sohn einen Brief.
    »Oh! ...« Das gezwungene Lächeln und die leichte Röte, die über das Gesicht des jungen Mannes huschten, verrieten unangenehme Überraschung.
    »Mr. Malone ist wieder mal um seine Pfunde besorgt. Es war doch abgemacht, daß er sich mit der Begleichung der Schuld bis zum Winter gedulden wolle!«
    »Und dann?« rief der Lord in scharfem Ton. »Wie gedachtest du die tausend Pfund zu zahlen? Du weißt genau, daß dein mütterliches Erbteil längst aufgebraucht ist. Weißt ebenso, daß ich mich geweigert habe, deinem Leichtsinn fernerhin Vorschub zu leisten. Die Einkünfte aus Roßmore genügen gerade, um meine Bedürfnisse und später die deines Bruders Allan zu bestreiten, der als Ältester die Pairie erbt. Du, als zweiter Sohn, bist darauf angewiesen, nach meinem Tode für dich selber zu sorgen. Alle Mahnungen, dir eine gute Ausbildung zu verschaffen, schlugst du in den Wind!«
    Der Lord trat vor seinen Sohn. »Bill!« Er legte seine Hand auf Williams Schulter. »Ich war heute morgen in Lacey-Hall. Edward Lacey hat durch seine amerikanische Heirat seine Verhältnisse aufs beste geordnet. Ich weiß von Laceys Gattin, daß es dich nur ein Wort kostet, und Maria Potter, die bei ihr zu Besuch weilt, ist die deine!«
    Bei Nennung dieses Namens wollte William brüsk auffahren. Dann, als besänne er sich, sah er den Vater bittend an - und erblaßte unter dessen strengem Blick. Mit müden Schritten ging er zu einem Sessel.
    »Vater, du gestattest, daß ich mir eine Erfrischung kommen lasse.« Er drückte auf einen Knopf. Der Diener erschien. »Whisky und Soda, Thomas!«
    Der Alte brachte gleich darauf das Gewünschte, ließ die Tür einen Augenblick offen, schlurfte wieder hinaus.
    »Zurück, Hektor! Bist du verrückt geworden?«
    Unwillkürlich waren Vater und Sohn aufgeschreckt. Der Hund, der in einer Ecke gelegen hatte, stürzte plötzlich erregt zur Tür.
    »Kusch, Hektor!« rief William Hogan zornig.
    Was hatte der Hund? Mit gesträubtem Fell knurrte er am Zimmereingang, als stünde ein Fremder vor ihm. William erhob sich, um das wütende Tier zu bändigen. Da, als hätte ein Fußtritt ihn getroffen, wich der Hund aufheulend zur Seite, kroch winselnd unter einen Sessel.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte Lord Roßmore erstaunt. »Ist Hektor krank?«
    William Hogan schüttelte den Kopf, blickte halb verwundert, halb besorgt auf den Hund. »Ich kann es mir nicht erklären. Er verhält sich so, als wenn ein Fremder ins Zimmer tritt. Doch wir sind allein.«
    »Er scheint sich jetzt beruhigt zu haben. Er liegt still, doch seine Augen glühen, als wittre er Verdächtiges.«
    »Ruhig, Hektor! Ruhig!« William Hogan warf sich sinnend in seinen Sessel und legte die Hand auf die Augen. »Vivian!« flüsterte er. »Vivian! Dich lassen ...!«
    Seine Augen schlossen sich. Er sah in Gedanken die zarte Gestalt, das liebliche Antlitz. Das heimliche Stelldichein im Park von Doherty-Hall - die Stunden im nächtlichen Hain ...
    Dann, als hätte seine Faust ihn berührt, erstarrte er in Schreck und Abwehr. Das letzte Zusammentreffen ... Was hatte ihm da Vivian schluchzend zugeraunt?
    Wie von einem Hieb getroffen, schnellte er hoch. »Unmöglich, Vater! Ich kann Maria Potter nicht heiraten! Nie!«
    Lord Roßmore wandte sich um, sah in tiefer Betroffenheit das todblasse Gesicht seines Sohnes. »Ich weiß, William, woran du denkst. Vivian Doherty - du liebst sie! Mit Freuden würde ich sie als Schwiegertochter begrüßen. Es ist aber unmöglich! Ihre karge Mitgift reicht nicht aus. Ihr seid beide von
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