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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte
Autoren: Hans Dominik
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neben das Zeitungsblatt. Seine Augen wanderten von einem Bild zum anderen. Ein wehmütiges Lächeln glitt über sein faltiges Gesicht.
    »Dieselben Züge, dieselben Augen! Keine Spur aber, gottlob, von William Hogan, diesem Verfluchten!«
    *
    Über dem Gasadorado ein alter, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammender Steinbau. Er stand noch im Weichbild der Befestigungsanlagen von Sao Salvador. Schon längst zum Abbruch bestimmt, hatte ihm der Krieg zwischen Brasilien und Venezuela neue Frist geschenkt.
    Zwölf Schläge der alten Turmuhr. Edna Wildrake, die Insassin der Zelle 17, schob das Buch, in dem sie gelesen, zurück, ging ein paarmal wie in Erwartung auf und ab. Vom Ende des langen Ganges klang das Rasseln von Schlüsseln - die tägliche Revision des Fortkommandanten. Noch zehn Minuten - Edna hatte die Zeit wohl berechnet -, dann würde auch ihr Zimmer geöffnet werden. Hauptmann Winterloo würde, wie an jedem Tage, die üblichen vorgeschriebenen Fragen stellen und dann ... blieb sie wieder für vierundzwanzig Stunden allein.
    Wenige Worte nur pflegte er an sie zu richten - und doch, welches Gewicht erhielten sie in seinem Munde! Ihr durch die lange Haft geschärftes Empfinden spürte unverkennbare Teilnahme an ihrem Schicksal heraus. Wie vorteilhaft unterschied sich überhaupt sein Benehmen von dem seines Vorgängers, des Majors Tejo. Der hatte nie anders als in brüskem, verächtlichem Ton mit ihr gesprochen.
    Aus dem kurzen Gespräch mit der alten Mulattenwärterin, die täglich zu ihr kam, hatte sie einiges aus dem Leben der beiden Offiziere erfahren. Die furchtbare Katastrophe, die halb Bahia in Asche legte und Tausende von Menschenleben vernichtete, hatte auch in das Leben dieser Männer eingegriffen. Unter den Opfern befanden sich die Eltern Tejos und dessen Schwester Viktoria, die Verlobte des Hauptmanns Winterloo. Diese Katastrophe aber war das Werk des Kapitäns Wildrake, ihres Bruders! Sein stärkstes Heldenstück in den Augen des venezolanischen Vaterlandes und der neutralen Welt - ein fluchwürdiges Verbrechen in den Augen der Brasilianer. Verbrechen? Immer wieder fragte sie sich, wie die brasilianische Union sie und ihre Familie für das Geschehene mitverantwortlich machen konnte.
    Sie trat ans Fenster. Von der Höhe, auf der das Gefängnis lag, bot sich ein weiter Rundblick über den nördlichen Teil der Stadt. Wohin ihr Auge schaute - nichts als Trümmer und verkohlte Ruinen.
    »Damit Sie die Schandtat Ihres Bruders nicht vergessen, Fräulein Wildrake, habe ich Ihnen das Zimmer mit dieser schönen Aussicht anweisen lassen. Eigentlich kein angemessener Kerkerraum für Leute Ihrer Art!« hatte Major Tejo gesagt, als sie hier hereingebracht wurde.
    Der neue Kommandant Winterloo aber hatte sich schon beim ersten Besuch wie beiläufig erkundigt, ob sie nicht einen anderen Raum haben wolle. Sie hatte abgelehnt. Nur ihre Augen hatten gedankt für das verborgene Entgegenkommen, das in seiner Frage lag. Doch war es ihr seitdem, als webe unsichtbar ein Verbundensein zwischen ihr und diesem Manne - dem Manne, dem die Tat ihres Bruders die Braut geraubt.
    Die Erinnerung wurde immer wieder aufgefrischt, die Erinnerung an das Heldentum ihres Bruders, an den Schlag, der den Koloß für Augenblicke zum Erzittern brachte. —
    Dunkle Herbstnacht. Ein rasender Nordoststurm peitscht die Wasser der Bai zu haushohen Wellen. Mit Mühe halten sich Tausende von großen und kleinen Fahrzeugen vor Anker. Die Kriegsschiffe draußen auf der Reede machen Dampf auf, um sich nötigenfalls auf die hohe See zu flüchten. Auch auf den beiden Riesenschlachtschiffen, die vor Sao Salvador festgemacht haben, ein wirres Hin und Her. Die »Columbus« und »Pizarro«, der Stolz der brasilianischen Marine, Wunder der Schiffsbautechnik, kurz vor Beginn des Krieges fertig geworden. Keine Marine der Welt hatte ähnliche Schiffseinheiten aufzuweisen.
    Da - der Ausguck auf der »Columbus« wollte schreien: »Periskop Backbord voraus in Sicht!« Doch der Ruf erstarb in einer Detonation an Backbord der »Columbus«, der fast gleichzeitig eine zweite an Steuerbord der »Pizarro« folgte.
    Ein furchtbares Dröhnen in den beiden Riesenleibern, dann legen sich die gigantischen Panzer auf die Seite ... Ein paar Minuten später, da, wo sie gelegen, nur noch ein Gewirr von Trümmern und von Menschen, die um ihr Leben ringen.
    Am Kai ankern die zwölf Öltankschiffe des Konvois, den die beiden Panzerschiffe hierher in den Hafen geleitet. Ihre
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