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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte
Autoren: Hans Dominik
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Jugend auf verwöhnt. Diese Heirat wäre Torheit!« Seine Stimme wurde schärfer. »Von mir hast du nichts zu erwarten - das weißt du! Es gibt nur den einen Ausweg: die Ehe mit Maria Potter.«
    William wollte sprechen, doch sein Vater schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. »Nur zwei Möglichkeiten gibt es für dich. Du heiratest Maria Potter oder nimmst Dienst irgendwo in den Kolonien. Roßmore-Castle wird dir für alle Zukunft so oder so verschlossen bleiben. Die Eltern Maria Potters verlangen natürlich, daß ihr einziges Kind in Brasilien bleibt. Du müßtest nach dort übersiedeln.«
    Ein langes Schweigen folgte. Schließlich fragte William: »Wie hoch ist die Summe, um die ich mich verkaufen muß, Vater?«
    Lord Roßmore zuckte zusammen. »Verkaufen? Warum dieses harte Wort? Miß Maria ist ein liebenswertes Mädchen.« Und leiser fuhr er fort: »Man schätzt das Vermögen des alten Potter auf mindestens zwei Millionen Süd-Dollar.«
    »Gib mir Bedenkzeit, Vater!«
    »Unmöglich!« Der Lord deutete auf den Brief. »Die Schuld muß bis morgen getilgt sein. Ich kann dir nur beispringen, wenn ich weiß, was du unternimmst.«
    William schritt erregt auf und ab, machte dann vor seinem Vater halt. »Also gut!« Und wandte sich mit schmerzlichem Seufzer zur Tür.
    Eilends folgte ihm der Hund. Doch in der Nähe der Tür wiederholte sich das seltsame Gebaren des Tieres. An das Knie seines Herrn geschmiegt, den Schwanz eingeklemmt, den Kopf verängstigt zur Seite gedreht, folgte es zögernd.
    William achtete nicht darauf. Er öffnete die Tür, ließ aber im selben Augenblick erschrocken die Klinke los. Seine Nasenflügel bebten, als spüre er etwas Fremdes, Ungreifbares. Der Hund neben ihm stieß plötzlich ein klagendes Geheul hervor.
    Lord Roßmore kam mit schnellen Schritten. »William, was ist ...?«
    William Hogan holte tief Atem, strich sich über die Stirn. »Eine Sinnestäuschung, Vater. Auch Hektor ... Es war mir, als hätte jemand, der hier gestanden, das Zimmer verlassen.«
    Lord Roßmore legte besorgt den Arm um die Schultern des Sohnes. »Deine Nerven sind überreizt. Ich weiß ja, wie schwer der Entschluß dir fällt! Glaube mir, William, es ist das einzig Richtige! Gehe nun in dein Zimmer, schlafe dich aus! Morgen früh werden wir Fräulein Potter unsere Aufwartung machen.«
    *
    Eine knappe Wegstunde von Roßmore-Castle entfernt, nahe am Ufer des Weyman-River, liegt auf einem nach drei Seiten steil abfallenden Felsenplateau Doherty-Hall. Auf den Grundmauern eines alten Normannenschlosses hatte der Vater des jetzigen Besitzers, Sir Roger Doherty, einen stattlichen Landsitz errichten lassen. Regelmäßig verbrachte die Familie hier den Sommer.
    Den breiten Fahrweg, der zum Hause führte, kam ein junger Mann mit einem Knaben entlang. In der Nähe einer großen Buche, deren Laub schon in allen Farben schimmerte, lief der Knabe von seinem Begleiter fort zu einer Bank, die unter den tief hängenden Zweigen verborgen war.
    »Da sind wir wieder, Vivian!« Der Knabe schlang die Arme um die Gestalt eines jungen Mädchens. »Dr. Arvelin und ich haben einen weiten Weg hinter uns. Wir waren auf der anderen Flußseite, in den Wäldern von Roßmore-Castle. Dort trafen wir William Hogan. Er war auf der Jagd, hatte einen starken Hirsch erlegt. Das prächtige Geweih zeigte er mir. So groß!« Er breitete mit drolligem Ernst beide Arme aus.
    Das Mädchen hob ihn auf den Schoß, streichelte seine Stirn. »Nun wirst du müde sein und Hunger haben, Phil.«
    Der Bruder nickte eifrig. »Ja, ja, Vivian, gewiß bin ich hungrig. Aber erst mußt du noch hören, was da passiert ist! Als wir bei William Hogan standen, kam der alte Hektor aus den Büschen geflitzt und auf uns zugelaufen, und wie er bei uns war, wollte er Dr. Arvelin beißen! Oh, Hektor war sehr böse! Er hat geknurrt und gebellt. Aber da hat William Hogan ihn mit der Peitsche geschlagen und ist mit ihm fortgegangen.«
    »Und hat er weiter nichts zu dir gesagt, Phil?« flüsterte Vivian leise dem Bruder ins Ohr.
    »O ja, Vivian! Ich soll Grüße an dich bestellen!«
    Errötend drückte das Mädchen einen zärtlichen Kuß auf die Lippen des Bruders und übergab ihn seinem Erzieher, der jetzt näher trat. Die beiden schritten davon, während Vivian ihnen nachblickte, bis sie an einer Wegbiegung verschwunden waren. —
    Schon über drei Jahre war Dr. Arvelin im Hause Sir Dohertys. Von einer Reise hatte ihn dessen Gattin Mary als Hauslehrer für Phil mitgebracht.
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