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Viel zu lange her

Viel zu lange her

Titel: Viel zu lange her
Autoren: Barbara Hannay
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jetzt für dich genau das Richtige. Zuerst musst du aber das Kleid ausziehen.
    Eine Rose muss wieder angenäht werden. Warte, ich öffne es. Dann ist das ein Kinderspiel.”
    Rosalind redete weiter, während Tessa die Arme hob und sich das Kleid über den Kopf ziehen ließ. „Und mach dir keine Gedanken, Schatz. Am Wochenende heiratest du Paul, und dann ist alles in Ordnung.”
    Das Schwindelgefühl verstärkte sich.
    „Nicht wahr, dann ist doch alles in Ordnung?” fragte Rosalind.
    „Natürlich”, antwortete Tessa leise.
    Rosalinds Absätze klapperten auf dem gekachelten Fußboden des Wohnzimmers, während sie in die Küche eilte.
    Tessa schob die Frage von sich, die manchmal auftauchte, wenn sie nicht im Geringsten darauf vorbereitet war. Es kam sogar vor, dass sie aus einem unruhigen Traum erwachte und sich diese Frage stellte. Und jetzt stand sie erneut im Raum.
    Aber natürlich liebte sie Paul!
    Sie war wirklich sehr glücklich. Zumindest war sie so glücklich, wie sie vernünftigerweise erwarten konnte. Als Isaac vor neun Jahren verschwunden war, hatte sie die große Liebe verloren, jene Liebe, die man nur einmal im Leben trifft, eine Liebe, wie sie in Filmen verherrlicht wird. Es brachte jedoch nichts, ständig darüber nachzudenken, was ihr mit neunzehn zugestoßen war. Ein neues Leben lag vor ihr.
    Ein gutes Leben.
    Isaacs unerwartete Rückkehr durfte das nicht verderben.
    Nach all den leeren Jahren seit Isaacs Verschwinden hatte sie erleichtert festgestellt, dass sie Paul mochte. Er war so zuverlässig und ergeben, dass sie ihn einfach reizend finden musste. Dazu kam, dass er eine sagenhafte Stellung in einer der besten Anwaltskanzleien von Townsville hatte und die beiden Familien schon lange miteinander befreundet waren. ‘ Das musste sie jetzt unbedingt im Auge beha lten.
    Nachdem Tessa sich umgezogen hatte, kam sie in die Küche, als ihre Mutter gerade siedendes Wasser in eine Tasse füllte. „Danke”, sagte sie leise, griff nach der Tasse und setzte sich auf das bequeme Sofa.
    Rosalind verbesserte ihren Earl-Grey-Tee mit etwas Milch, nahm ihrer Tochter gegenüber Platz und schlug die langen, schlanken Beine übereinander.
    „Ist das alles aufregend”, stellte Rosalind fest. „Was für ein Tag! Zuerst taucht Isaac einfach so auf, und dann hast du noch diesen … Schwächeanfall. Was soll Paul denn davon halten, dass es dich fast umwirft, wenn von einem anderen Mann die Rede ist?”
    Seufzend schloss Tessa die Augen und legte den Kopf an die Rückenlehne. Sonnenstrahlen fielen durch die Rollos auf ihr Gesicht. „Es ging nicht um irgendeinen Mann, Mum. Natürlich ist es ein Schock, nach neun Jahren zu hören, dass Isaac wieder da ist.” Sie öffnete die Augen und zwang sich zu einem möglichst lässigen Ton. „Isaac ist allerdings kein anderer Mann in dem Sinn, wie du das meinst. Er ist schließlich nichts weiter als das Ziehkind meiner Eltern, mein Ziehbruder.”
    „Ich bitte dich, Tessa!” Rosalind rührte heftig in ihrer Tasse um. „Du hast stets versucht, deine Gefühle für diesen Findling, den dein Vater nach Hause gebracht hat, zu verbergen, aber …”
    „Mum!” rief Tessa betroffen. „Wovon sprichst du?”
    Rosalind richtete den Blick ihrer dunklen Augen auf ihre Tochter und trank erst einen Schluck Tee. „Du glaubst doch nicht im Ernst, deine Mutter hätte nichts gemerkt? Mein liebes Mädchen, seit deinem vierzehnten Lebensjahr hast du diesen Jungen förmlich mit Blicken verschlungen, wenn er in deiner Nähe war. Und dann die viele Zeit, die ihr beide auf dem Hügel oder auf dem Boot verbracht habt…”
    Erneut drehte sich alles um Tessa. Ihre Mutter war über das Boot informiert? Was wusste sie denn noch alles? Betroffen nippte sie an ihrem Tee.
    „Und dann”, fuhr Rosalind fort, „hast du bei der Prüfung in Biologie völlig versagt, nachdem Isaac fort war.”
    „Aber das war doch, weil …” Sie hatten gemeinsam Meeresbiologie gelernt, weil sie Delfine retten und in den Meerestiefen ein Mittel gegen Krebs finden wollten. „… weil ich in Biologie nie gut war. Damals war ich doch noch ein Kind.”
    Mittlerweile war Tessa Lehrerin geworden und hatte es eigentlich nicht mehr nötig, sich von ihren Eltern einen derartigen Tadel anzuhören.
    „Natürlich war es für uns alle ein Schock, dass Isaac einfach verschwand, ohne sich auch nur zu verabschieden”, bemerkte Rosalind. „Deinem Vater hat es fast das Herz gebrochen, das weißt du. Wie konnte er untertauchen,
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