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Viel zu lange her

Viel zu lange her

Titel: Viel zu lange her
Autoren: Barbara Hannay
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Rosalind.
    „Großartig!” Es fiel Tessa leicht, sich an diesen Dingen interessiert zu zeigen, doch es gelang ihr nicht, ihre Gedanken von Isaac abzuwenden. Wie sollte sie ihm ausgerechnet jetzt gegenübertreten? Dann fiel ihr noch etwas ein. „Mum, Isaac wird doch nicht… er wird doch nicht zu meiner Hochzeit bleiben?”
    Der Wagen fuhr jetzt die Straßen von Yarrawonga hoch, dem schönsten Vorort von Townsville, der sich am Castle Hill hinaufzog und einen herrlichen Ausblick auf das Meer bot.
    Eine steile Straße führte zum Haus der Familie Morrow.
    „Ich nehme an, genau das könnte der Grund sein, aus dem er nach Hause gekommen ist.”
    Rosalinds Stimme klang spröde, „Zwar behauptet er, im Auftrag einer großen asiatischen Bergbaugesellschaft hergekommen zu sein. Trotzdem ist es ein seltsamer Zufall, nicht wahr?”
    Tessa stiegen Tränen in die Augen. Es war tatsächlich sehr seltsam. Es war ein Albtraum, dass Isaac Zeuge ihrer Hochzeit mit Paul Hammond werden sollte. Nächtelang hatte sie wach gelegen und an ihn gedacht. Mal hatte sie aus Angst, er könnte verletzt oder gar tot sein, geweint. Dann wieder hatte sie sich gewünscht, er wäre es! Wie oft hatte sie sich in allen Einzelheiten die schlimmsten Unfälle ausgemalt?
    Irgendwann war sie dann so abgestumpft gewesen, dass sie ihn weitgehend aus ihren Gedanken hatte verdrängen können. Und sie hatte sich mit so viel Begeisterung auf die Lehrtätigkeit gestürzt, dass alle Leute entzückt waren. Das hatte ihr eine gewisse Befriedigung gebracht. Ihr Leben hatte, wenn auch sehr gedämpft, wieder begonnen.
    Ein schwarzer, neu und sehr teuer wirkender und mit rotem Staub bedeckter Geländewagen stand vor dem Morrow-Haus. Der musste Isaac gehören. Schon der Anblick des Wagens war für Tessa ein weiterer Schock.
    Ich kann nicht hineingehen, dachte sie. Wenn schon der Wagen solche Gefühle in ihr auslöste, wie sollte sie dann diesem Mann gegenübertreten?
    Ein australischer Schäferhund saß hinten im Wagen, spitzte aufmerksam die Ohren und wedelte.
    „Ich habe natürlich verlangt, dass der Hund im Wagen bleibt.” Rosalind bog in die Einfahrt und fuhr durch das Tor und die steile Zufahrt neben dem Haus hinauf. „Er würde den Garten glatt verwüsten.”
    „Ist ihm denn nicht zu heiß?” fragte Tessa leise und staunte, dass ihr Verstand trotz aller Angst überhaupt noch funktionierte.
    „Isaac hat einen Käfig für ihn mitgebracht. Bestimmt geht er auch mit dem Hund auf dem Hügel spazieren. Keine Sorge, er fühlt sich wohl. Außerdem ist Juli der kühlste Monat bei uns.”
    Rosalind zog energisch die Handbremse an und öffnete die Tür.
    Es war so weit.
    Tessa sagte sich, dass sie nichts weiter zu tun brauche, als auszusteigen, das Haus zu betreten und einen alten Freund der Familie zu begrüßen. Doch lieber wäre sie in einen Fluss voller Krokodile gesprungen oder hätte sich beim Zahnarzt sämtliche Zähne anbohren lassen.
    Bebend folgte sie ihrer Mutter ins Haus, das gegen die im Westen stehende Sonne abgedunkelt war. Nahezu lautlos durchquerten sie die blitzsaubere Küche und die Diele und näherten sich der Terrasse.
    Tessa hörte Isaacs vertraute tiefe Stimme. Ihr Herz schlug zum Zerspringen. Doch überraschend senkte sich tiefe Ruhe über sie, als hätte sie sich völlig in ihr unausweichliches Schicksal ergeben.
    Es war, als hätte ihr jemand ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht. Sie konnte die Schultertasche auf den Tisch legen und zur Terrassentür gehen, als wäre sie noch immer ein sorgenfreies, unbeschwertes Mädchen.
    Ob sich so eine Fliege fühlte, die in ein Spinnennetz geraten war? Vielleicht empfanden auch Menschen auf dem Gang zum Galgen in ihren letzten Momenten diese sonderbare Ruhe.
    Es reichte, Isaacs Stimme zu hören, und sie hatte keine Angst mehr, sondern freute sich nur noch darauf, ihn wieder zu sehen.
    Und dann sah sie ihn, noch bevor sie ins Freie trat.
    Isaac lehnte am Ende der Terrasse am Geländer. Tessa blieb stehen, um abzuwarten, bis ihr Herz sich beruhigte. Durch die Blätter der Pergola fielen Sonnenstrahlen auf sein kräftig geschnittenes Gesicht mit der hohen Stirn, ein Gesicht, das so aussah, als hätte es ein Künstler mit leidenschaftlicher und ungeduldiger Hand gemeißelt. Nur der Mund mit den vollen, sinnlichen Lippen war fein geformt.
    Das Haar war länger, als sie in Erinnerung hatte. Die schwarzen Locken reichten bis zum Kragen und ließen Isaac viel mehr als früher wie einen dunkelhäutigen
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