Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Viel zu lange her

Viel zu lange her

Titel: Viel zu lange her
Autoren: Barbara Hannay
Vom Netzwerk:
sie den Heiratsantrag annahm. Ein Leben mit einem Mann wie ihrem Vater wäre sehr angenehm.
    Sie wollte ihrem Vater zustimmen, brachte jedoch kein Wort hervor, sondern öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Wie sollte sie so tun, als würde sie sich über das Wiedersehen mit Isaac freuen? Durch seine Kälte war die wunderbare Überraschung, von der ihr Vater sprach, zu einem Albtraum geworden.
    Ihr Vater merkte nichts davon. „Isaac hat sich sagenhaft gemacht”, erklärte er strahlend. „Er hat ein Diplom in Bergbau, er hat jahrelang in der Pilbara gearbeitet, und jetzt managt er ein gewaltiges …”
    „John”, unterbrach ihn Rosalind.
    „Komm, ich mache dir eine Tasse Tee. Ich muss etwas mit dir besprechen.”
    Tessa fand den Blick ihrer Mutter auf sich gerichtet. Sie konnte sich gut vorstellen, dass gleich in allen Einzelheiten über ihren Schwächeanfall gesprochen wurde. Armer Dad.
    Doch das Mitgefühl für ihren Vater trat rasch in den Hintergrund, als ihre Eltern im Haus verschwanden und sie mit Isaac auf der Terrasse allein zurückblieb.

2. KAPITEL
    Tessa wandte Isaac den Rücken zu. Wie sollte sie mit ihm allein bleiben? Am liebsten wäre sie wie ein verängstigtes Kind hinter ihren Eltern hergelaufen. Mit bebenden Händen hielt sie sich am Geländer fest und richtete den Blick auf die Dächer und das Meer unter ihr, während sie die aufkeimende Panik unterdrückte. Sie atmete tief durch und versuchte, vernünftig zu denken. Das Schlimmste hatte sie mit Sicherheit schon hinter sich. Nichts konnte sie mehr verletzen als Isaacs kalte Begrüßung.
    Wie hatte sie sich ihm bloß in die Arme werfen können, als wäre sie ein unreifes Groupie bei einem Rockkonzert! Ihre Freude über das Wiedersehen war Isaac sichtlich peinlich gewesen.
    Natürlich machte er sich schon seit Jahren nichts mehr aus ihr.
    „Der Ausblick ist unverändert schön.”
    Beim Klang seiner Stimme drehte sie sich zu ihm um. Er stand ein Stück von ihr entfernt und betrachtete ihr Gesicht so eingehend, als hätte er mit dem „Ausblick” sie gemeint. Befangen strich sie eine Locke aus dem Gesicht, und Isaacs Blick folgte der Bewegung ihrer Hand - der linken Hand mit dem großen Smaragd. Sofort wurde seine Miene grimmig.
    Tessa widerstand dem Wunsch, den Ring vom Finger zu streifen. Das kam gar nicht in Frage.
    Stattdessen schob sie die Hand in die Hosentasche und hoffte, dass es nicht so wirkte, als hätte sie ein schlechtes Gewissen - was genau zutraf.
    „Bestimmt hast du auf deinen Reisen viel gesehen”, entgegnete sie und lächelte mühsam. „Wie ist dieser Ausblick verglichen mit dem Rest der Welt?”
    Isaac lächelte flüchtig und ließ den Blick ganz langsam über sie gleiten. „Ach, hier gibt es sehr viel Schönes zu sehen”, sagte er leise.
    Tessa fühlte, dass sie rot wurde. Sie schauderte leicht, und das hatte nichts mit der kühlen Meeresbrise zu tun, die mit ihrem Haar spielte. Isaacs Blick löste verwirrende Erinnerungen aus.
    Gefährliche Erinnerungen. Es war unerträglich. Ich muss an Paul denken! Und an die Hochzeit.
    „Ich … ich bin noch immer nicht weit gereist”, sagte sie heiser und zog sich von ihm zurück.
    Isaac nickte und lächelte traurig, während er auf das Meer hinausblickte. Das Schweigen war bedrückend, und Tessa überlegte verzweifelt, was sie noch sagen konnte.
    „Ich hätte die Gelegenheit nutzen und Fernreisen unternehmen sollen”, meinte sie. „Die meisten meiner Freunde waren schon in Asien, Europa oder in den Vereinigten Staaten von Amerika.”
    „Durch Reisen lernt man viel”, erwiderte Isaac ernst. „Andererseits kommt es bei Reisen nicht auf die zurückgelegten Entfe rnungen oder die Dinge an, die man sieht.” Er schob die Hände in die Hosentaschen und lehnte sich neben ihr ans Geländer. „Die wichtigen Reisen können sich in uns abspielen, während wir uns gar nicht von der Stelle rühren”, fügte er kaum hörbar hinzu.
    Er sah sie an, als könnte er in ihr Herz blicken. Doch Tessa wusste, dass er niemals all die tristen Reisen nachvollziehen konnte, die sie in den letzten neun Jahren erlebt hatte - Reisen, die nur stets im Kreis führten und mit ihren Gefühlen für ihn begannen und endeten.
    Mit dir wäre ich überall hingegangen, Isaac, wollte sie ihm ins Gesicht schreien.
    Rasch zog sie sich ein Stück von ihm zurück, weil es ihr nicht gelang, ihre Gedanken im Zaum zu halten. Um das zu überspielen, versuchte sie es mit einem Scherz. „Du wirst direkt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher