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Viel zu lange her

Viel zu lange her

Titel: Viel zu lange her
Autoren: Barbara Hannay
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1. KAPITEL
    Noch vier Tage …
    „Das ist das schönste Hochzeitskleid, das ich je gesehen habe!”
    Tessa drehte sich im Kreis und betrachtete sich begeistert in dem lange n, ovalen Spiegel. Ihre blauen Augen leuchteten, als sie sich von hinten betrachtete. Das Kleid hatte einen tiefen Rückenausschnitt. Das Oberteil bestand aus Seidenbrokat. Von zartrosa Rosen an der Taille aus fielen Bahnen feinsten Chiffons. Es war einfach märchenhaft.
    „Es ist perfekt, Schatz”, bestätigte Rosalind Morrow. Tränen der Rührung traten ihr in die Augen, während sie ihre glückliche Tochter beobachtete.
    Tessa lächelte ihrer Mutter aufgeregt zu, ging durch den Raum und genoss das Rascheln der Seide. „Das wird eine Traumhochzeit”, sagte sie selig.
    „Ja”, bestätigte Rosalind, doch der nachfolgende Seufzer klang nicht so fröhlich.
    Tessa warf ihrer Mutter einen scharfen Blick zu. Rosalind verzog keine Miene, verschränkte jedoch nervös die Hände ineinander.
    „Stimmt etwas nicht, Mum?” fragte Tessa.
    „Aber nein, Schatz, alle Hochzeitsvorbereitungen laufen mit der Präzision eines Uhrwerks. Es ist alles in Ordnung.” Rosalind wandte sich ab und lachte unsicher. „Da ist nur eine Kleinigkeit.”
    „Ach ja?” Tessa bekam Herzklopfen. „Und was?”
    Rosalind zupfte an ihrem dunkelblauen Rock. „Du wirst es nicht glauben.” Sie holte tief Atem und nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Isaac ist wieder daheim.”
    Tessa wurde blass und sah ihre Mutter erschrocken an.
    Isaac ist wieder daheim!
    Wie aus weiter Ferne hörte sie ihre Mutter rufen: „Tessa, was hast du denn?”
    In ihren Ohren dröhnte es. Das Schlafzimmer, ihre Mutter und das Hochzeitskleid im Spiegel verschwammen plötzlich vor ihren Augen. Schwindel packte sie.
    „Tessa, um Himmels willen, wie siehst du denn aus!”
    Sie tastete hinter sich, fühlte die Bettdecke und sank darauf.
    „Alles in Ordnung, Schatz?” fragte Rosalind ängstlich. „Soll ich deinen Vater holen? Wie fühlst du dich?”
    „Gut.” Tessa nahm sich gewaltig zusammen. „Ich … ich habe heute noch nichts zu Mittag gegessen”, schwindelte sie, um die Panik zu überspielen. „Du hättest mich wegen … Isaac vorwarnen sollen.”
    „Sicher hätte ich das tun sollen”, räumte Rosalind ein. „Aber ich dachte, du wärst nach so vielen Jahren über ihn hinweg.”
    „Über ihn hinweg, Mum? Natürlich bin ich das. Ich war doch nie …” Tessa stockte und wechselte das Thema. „Hilf mir bitte beim Aufstehen.” Vorsichtig stemmte sie sich vom Bett hoch und kämpfte gegen die Verzweiflung an.
    Isaac ist wieder daheim!
    Wieso stand plötzlich ihre ganze Welt Kopf?
    „Ach, du lieber Himmel! Was wird dein Vater dazu sagen? Und das schöne Hochzeitskleid ist ganz verknittert!” rief Rosalind.
    Tessa hätte am liebsten geschrieen, dass ihre Mutter doch jetzt das Kleid vergessen sollte.
    Rosalind merkte nicht, in welchem Zustand ihre Tochter sich befand, und begutachtete weiter das Kleid. „Nun ja, mit Bügeln kriegt man das wieder hin”, erklärte sie zuletzt. „Wie fühlst du dich jetzt, Schatz?”
    Tessa rang sich ein Lächeln ab, doch das Herzklopfen ließ nicht nach, und sie war noch nicht wieder sicher auf den Beinen.
    „Es geht mir gut, Mum”, entgegnete sie mit einigermaßen fester Stimme.
    „Wenigstens wirst du bis zum Wochenende bei uns bleiben”, meinte Rosalind besorgt. „Dir wird ja schon schwindelig, weil du nichts gegessen hast. Du achtest nicht genug auf deine Gesundheit, und ich muss mich noch um so viel kümmern. Bis Samstag ist unglaublich viel zu erledigen.”
    Tessa dachte gar nicht daran, ihrer Mutter zu widersprechen, doch die Panik wuchs. Es ging ja noch, wenn sie die letzten Tage vor der Hochzeit daheim verbrachte und ihre Mutter um die kleinsten Details des Festes ein riesiges Aufhebens machte. Aber Isaac war wieder da, und das war einfach unmöglich.
    Was machte Isaac denn zu Hause? Und wieso ausgerechnet jetzt? Was für ein unglücklicher Zufall! Er war neun Jahre fort gewesen. Warum hatte er nicht auch noch einige Tage länger wegbleiben können? Wie konnte er ihr das antun?
    Hätte sie doch bloß darauf bestanden, bis zum Samstag in ihrer Wohnung zu bleiben. Doch jetzt war es zu spät. Die neuen Mieter zogen bereits morgen ein.
    „Könntest du mir einen Pfefferminztee machen, Mum”, bat Tessa, weil sie ein flaues Gefühl im Magen hatte. „Tassen und Teebeutel befinden sich in einem Karton auf der Küchenbank.”
    „Natürlich. Das ist
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