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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht
Autoren: Gordon R. Dickson
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1
     
    Als er in die Gymnastikhalle der Kosmonauten kam, füllte der Geruch nach altem Schweiß, den das Belüftungssystem nie entfernen konnte, Martin Pu-Lis Nase, und eine Schwerkraft, die ein Viertel über dem Normalwert der Erde lag, drückte ihn ein wenig in die Knie. Er reckte seine Schultern, straffte sich gegen die künstliche Schwere. Er war kein Kosmonaut, aber mit dreiundvierzig war er noch immer groß und athletisch; ein Viertel seines Körpergewichts konnte er zusätzlich tragen, ohne in die Knie zu gehen.
    Auf der anderen Seite der Halle arbeitete Rafe Harald sich nur mit den Händen hangelnd das Kletterseil hinauf. Obwohl er seine Trainingsbluse ausgezogen hatte und seine Muskeln unter der Anstrengung hervortraten, sah sein Körper nicht bemerkenswert aus. Er wirkte wie ein Büroangestellter oder ein Programmierer, der sich abends mit körperlichen Übungen wie Handball und Gymnastik in Form zu halten sucht. Martin ging hinüber.
    »Hallo, Rafe«, sagte er.
    Rafe blickte von der Decke zu ihm herab. »Gehen Sie von der Matte«, sagte er.
    Martin trat zwei Schritte zurück. Etwas sauste herunter und schlug mit einem harten, dumpfen Klatschen vor ihm auf die Matte. Rafe lag lächelnd auf dem Rücken, die Beine zusammen, die Arme ausgebreitet und die Handflächen auf der Matte.
    »Was sind das für Dummheiten, bei eineinviertelfacher Schwere?« sagte Martin verdutzt und etwas ärgerlich. »Eines Tages werden Sie sich im Gipsbett wiederfinden.«
    Rafe setzte sich aufrecht, zog seine Beine an und stand auf, ohne seine Hände zu gebrauchen. Er machte es nicht wie jemand, der eine Übung absolviert. Er tat es geistesabwesend, als sei es die bequemste Art und Weise, sich vom Boden zu erheben.
    »Keine Gefahr«, sagte er. »Sie sollten mal den Augenblick des Aufpralls filmen und sich das genau ansehen – in Zeitlupe. Man rollt rückwärts ab und schlägt mit beiden Händen kräftig auf. So fängt man einen Teil der Aufprallenergie ab.«
    »Ja, ja«, sagte Martin ungeduldig und blickte auf seine Armbanduhr. »Die Fähre wartet auf mich. Was wollten Sie?«
    »Sie«, sagte Rafe freundlich.
    Er blickte in Martins Augen, und Martin, dem plötzlich bewußt wurde, daß er wieder der Schwerkraft nachgegeben hatte, richtete sich zu seiner vollen Höhe von einem Meter achtundachtzig auf, so daß er Rafe um wenigstens fünf Zentimeter überragte.
    »Nun, ich bin hier«, sagte er. »Weswegen wollten Sie mich sprechen? Und warum mußte es ausgerechnet hier sein?«
    »Weil kein Mensch jemals hierherkommt – nicht mal meine drei Kollegen«, sagte Rafe. »Und ich wollte Sie sprechen, weil ich Ihre Aktentasche und einige Ihrer anderen Sachen an mich nehmen möchte. Ich werde die Fähre zur Erde nehmen.« Er strich sein wirres, braunes Haar aus der Stirn. Seine hellblauen Augen blickten mit einer Kälte aus dem angenehmen, schmalen Gesicht, die Martin neu war. Rafael Arnoul Harald sah auf einmal nicht mehr wie ein Büroangestellter mit sportlichen Ambitionen aus. »Sie glauben nicht, daß es mein Ernst ist?«
    »Ich fürchte fast, daß Sie verrückt geworden sind!« sagte Martin verwirrt und aufgebracht. »Sie glauben doch nicht, daß ich einen unserer Kosmonauten auf der Erde sein Leben riskieren lassen werde? Sie und Ihre drei Kollegen repräsentieren eine Milliardeninvestition – gar nicht zu reden von den Hoffnungen, die wir mit dem Projekt verbinden.«
    »Ich werde Ihre Aktentasche nehmen.« Rafe streckte seine Hand aus. Der andere zögerte, und Rafes Stimme wurde noch freundlicher. »Kommen Sie, Martin, geben Sie her. Sie wollen doch nicht, daß ich sie Ihnen wegnehmen muß?«
    Wortlos übergab Martin seine Aktentasche.
    »Schließen Sie auf«, sagte Rafe. Martin fischte in seiner Tasche nach dem kleinen Schlüssel und gehorchte. Rafe öffnete sie. »Nun, tun Sie Ihren Tascheninhalt hinein, wo Platz ist«
    Langsam entleerte Martin seine verschiedenen Taschen. Schreibgerät, Taschenrechner, Kreditkarte, Brieftasche, Taschentuch – alle die kleinen Gegenstände, die man einsteckt, wenn man auf Reisen geht, verschwanden in der Aktentasche.
    »Bargeld?« fragte Rafe, als Martin aufhörte, in seinen Taschen zu graben. Der Projektleiter lächelte säuerlich und langte in seine Gesäßtasche, aus der er einen Geldbeutel zog.
    »Sie haben an alles gedacht, wie?« sagte er.
    »Ich bin erst seit vier Jahren auf dem Mond«, sagte Rafe. »Ich erinnere mich an einige Dinge.« Er nickte zu einer braungestrichenen Metalltür an der
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