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Viel zu lange her

Viel zu lange her

Titel: Viel zu lange her
Autoren: Barbara Hannay
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tiefschürfend. Hat dich der Nachmittag mit Dad in eine philosophische Stimmung versetzt?”
    Isaacs Lachen klang gekünstelt. „Schon möglich.” Er holte Atem und streckte sich. Das T-Shirt wurde von den breiten Schultern und der kräftigen Brust gedehnt, rutschte hoch und enthüllte einen Streifen gebräunter Haut. „Natürlich darf ich nicht vergessen, dass bei Queen Tess das Wort
    ,tief’ einen gefährlichen Klang .hat”, sagte er geringschätzig. „Wir müssen immer angenehm seicht bleiben, nicht wahr?”
    Betroffen stellte sie fest, dass er jetzt auf sie so zornig war wie an dem schrecklichen Tag seines Verschwindens. Und diese Feindseligkeit verwirrte sie heute so sehr wie damals.
    Hier auf dieser Terrasse hatte er ihr an einem schwülen Novembermorgen beim Frühstück vorgeworfen, seicht zu sein. Sie sei in den Wertvorstellungen der Mittelklasse gefangen.
    „Natürlich bist du dir viel zu fein für einen Herumstreuner aus der Gosse!” hatte er geschrieen.
    Sie schauderte noch heute, wenn sie sich an die damaligen Vorwürfe erinnerte. Eingebildet hatte er sie genannt. Und Queen von Castle Hill. Zum ersten Mal hatte der Kosename wie eine Beleidigung geklungen.
    Sie schloss die Augen, um die Tränen zurückzuhalten. Dies war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um sich über diese Beleidigungen aufzuregen. „Ich halte mich keineswegs für seicht, sondern meine nur, man sollte sich das Leben leicht machen. Findest du das nicht auch?” fragte sie unbekümmert, um die unschönen Erinnerungen zu verdrängen.
    „Natürlich”, meinte er.
    „Und du weißt, wie das geht? Mach dir keine Sorgen, sondern sei glücklich.”
    „Dann warst du also glücklich?”
    „Als ob dich das interessieren würde!” fuhr sie ihn an. „Du bist einfach untergetaucht, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an mich zu verschwenden.”
    Isaac kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und schüttelte den Kopf.
    „Das kannst du doch nicht ableugnen!” rief sie gereizt und sprach endlich die wichtigste Frage aus, bevor der Mut sie verließ: „Wieso bist du heimgekommen?”
    Allerdings erhielt sie nicht die ersehnte Antwort, weil sie von wütendem Bellen gestört wurden.
    „Das klingt nach Satan.” Isaac ging rasch ans Ende der Terrasse und beugte sich über das Geländer. Tessa folgte ihm. Von hier aus sahen sie die Vorderseite des Hauses.
    Isaacs Hund zerrte knurrend und bellend an der Leine und versuchte, über den Rand der Ladefläche des Geländewagens zu springen. Offenbar wollte er jemanden auf dem Weg angreifen.
    „Satan, hör auf! Platz!” rief Isaac.
    Satan! Ein passender Name für den Hund dieses abscheulichen Mannes, dachte Tessa und entdeckte das Opfer, auf das es das Tier abgesehen hatte.
    „Lieber Himmel, das ist Paul! Dein Hund will sich auf meinen Verlobten stürzen!” rief sie.
    Paul Hammond stand mitten auf dem Weg und versuchte mannhaft, dem wütenden Hund die Stirn zu bieten. Satan hatte zwar auf Isaacs Befehl hin zu bellen aufgehört, knurrte jedoch und fletschte die Zähne.
    „Den Hund nicht anfassen!” rief Isaac und klang nicht viel weniger wild als der Hund.
    „Ich habe nicht die geringste Absicht, ihn anzufassen”, rief Paul zurück. „Ich habe ihn lediglich angesprochen.”
    „Er ist ein ausgebildeter Wachhund”, sagte Isaac und warf Paul einen bösen Blick zu.
    „Komm zu uns herauf, Paul”, sagte Tessa und wandte sich an Isaac. „Hoffentlich greift dein Hund nicht alle unsere Besucher an. Armer Paul! Was für ein schrecklicher Empfang!”
    „Der arme Paul”, erwiderte Isaac verdächtig sanft, „sollte wissen, dass man fremde Hunde in Kühe lässt.”
    Pauls Schritte waren schon auf den Stufen zur Terrasse zu hören.
    „Hoffentlich verhältst du dich höflich und freundlich”, sagte Tessa leise. „Du erinnerst dich natürlich an Paul Hammond. Er wohnt in dem Eckhaus und war in der Schule einige Jahre über uns.”
    „Ja, ich erinnere mich”, erwiderte Isaac mit einem unangenehmen Lächeln. „Er spielte im Schulorchester die Tuba. Ist er noch immer so massig wie sein Instrument?”
    „Nein, ganz sicher nicht!” erwiderte Tessa, während ihr Verlobter die Terrasse erreichte und ihnen zuwinkte. „Schatz!” Sie eilte auf ihn zu. „Es tut mir so Leid! Wie gut, dass dieses Biest angeleint ist.”
    „Ach, mach dir deshalb keine Gedanken.” Paul lächelte tapfer und küsste sie auf die Wange.
    „Keine Ahnung, warum der Köter mich nicht mag. Er hat schon geknurrt, als
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