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Jedes Kind Kann Regeln Lernen

Titel: Jedes Kind Kann Regeln Lernen
Autoren: Annette Kast-Zahn
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Beispiel und Liebe: notwendig, aber nicht ausreichend
    Patrick ist zweieinhalb Jahre alt. Er ist ein aufgeweckter Junge und hat ein Gesicht wie ein pausbäckiger kleiner Engel. Trotzdem ist er der "Schrecken" jeder Spielgruppe. Die anwesenden Mütter werden nervös und werfen ein besonders wachsames Auge auf ihren Sprößling, wenn Patrick näherkommt. Und schon ist es wieder passiert: Der Kleine hat blitzschnell zugeschlagen, und sein ebenso kleines "Opfer" weint herzzerreißend. Manchmal beißt er auch, mitunter so heftig, daß die Spuren noch zwei Wochen später zu sehen sind. Besonders oft reißt Patrick anderen Kindern Spielzeug aus der Hand, wirft damit oder zerstört es. Es kommt natürlich auch vor, daß Patrick ganz friedlich für sich oder mit den anderen Kindern spielt. Er ist dann nicht wiederzuerkennen.
    Und seine Mutter? Patrick ist ein Wunschkind. Sie vergöttert ihn geradezu. Nach zwei schon wesentlich älteren Töchtern hat sie noch ihren ersehnten Sohn bekommen. Sie schenkt ihm Zeit, Zuwendung und Liebe. Kein einziges Mal hat sie andere Kinder in seiner Gegenwart geschlagen oder gebissen. Noch nie hat sie ihm Spielzeug aus der Hand gerissen und es zerstört. Trotzdem tut Patrick all das immer wieder. Warum nur? "Erziehung ist Beispiel und Liebe - und sonst nichts" - dieses Zitat stammt von Fröbel, dem Begründer der deutschen Kindergartenbewegung vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Bei Patrick und seiner Mutter scheint es nicht zuzutreffen.
    Trotzdem ist es ein sehr nachdenkenswerter Satz. Nach meiner Überzeugung ist Liebe das Allerwichtigste, was wir unseren Kindern geben können. Das Zweitwichtigste ist, ihnen so oft wie möglich mit gutem Beispiel voranzugehen. Auf diesen beiden Säulen können wir unsere Erziehungsarbeit aufbauen. "Ohne Liebe und Beispiel ist Erziehung nichts" - so würde ich den Satz formulieren. Ohne diese Grundlage kann kein Elternratgeber helfen - auch dieser nicht.
    Es gibt tatsächlich Kinder, die anscheinend ausschließlich die Liebe und das gute Beispiel ihrer Eltern brauchen, um sich zu vernünftigen, verantwortungsbewußten, liebenswerten und glücklichen Persönlichkeiten zu entwickeln. Solche Kinder lernen schon recht früh durch Einsicht, akzeptieren Grenzen, ohne sich jemals aufzulehnen, übernehmen bereitwillig Pflichten - kurz gesagt: Sie machen ihren Eltern wenig Kummer. Ich selbst kenne ganz wenige solcher Kinder, die auf diese Art und Weise erwachsen geworden sind. Für die allermeisten Kinder - meine drei eigenen eingeschlossen - trifft das nicht zu. Liebe und Beispiel sind unbedingt notwendig. Sie reichen aber nicht aus! Zusätzlich brauchen wir Eltern eine Art Handwerkszeug, auf das wir bei Bedarf zurückgreifen können.
    Wie können wir unsere Kinder daran hindern, Dinge zu tun, die sie nicht tun sollten? Wie können wir sie andererseits dazu bringen, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollen - gemeint sind "lästige" Aufgaben und Pflichten, die wir als Eltern für wichtig und notwendig halten? Was können wir tun, wenn alle guten Worte bisher ohne Wirkung geblieben sind?
"Kinder werden immer schwieriger"...?
    Immer häufiger ist in letzter Zeit zu hören und zu lesen: "Die Kinder werden immer schwieriger" oder: "Die Kinder von heute kann man kaum noch erziehen" - frei nach dem Motto: "Früher war alles besser".
    Es stimmt: Wir Eltern von heute waren als Kinder anders als unsere Kinder. Aber waren wir bessere Kinder? Unsere Eltern haben vieles anders gemacht als wir heute - aber waren sie bessere Eltern? Wir versuchen doch gerade, deren Fehler nicht zu wiederholen. Wir wollen unsere Kinder ohne Schläge, ohne strenge Bestrafung, ohne Angst und Einschüchterung und ohne verklemmte Sexualität erziehen. Und die meisten von uns schaffen das auch. Gehorsam aus Angst vor Strafe - das war vor 30 Jahren noch allgemein akzeptiert. Und heute? Wir gewähren unseren Kindern heute mehr Recht auf Entfaltung der eigenen kleinen Persönlichkeit, mehr Förderung ihrer Fähigkeiten, mehr materiellen Wohlstand, mehr Anregungen, als wir selbst als Kinder erfahren haben.
    Wer von uns hatte als Kind ein eigenes Zimmer? Wer durfte zwischen mehreren Sportarten oder Musikinstrumenten auswählen? Wer konnte eine freie, unverkrampfte Sexualerziehung genießen? Wer von uns hat gelernt, Erwachsenen unbefangen gegenüberzutreten und ihnen unbequeme Fragen zu stellen?
    Meiner Überzeugung nach können wir Eltern heute auf viele Fortschritte stolz sein. Und wir können auf unsere Kinder
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