Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschleppt ins Tal Diabolo

Verschleppt ins Tal Diabolo

Titel: Verschleppt ins Tal Diabolo
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
seine Eugen-Marcel-Rolle jetzt zur Drahtseil-Nummer wurde — ohne
Netz. Der echte OB-Sohn hätte vermutlich gewusst, wo sie waren.
    „Dort war ein Hinweisschild“,
sagte Stritzi. „Noch drei Kilometer bis Chisotitta.“
    Zum Teufel!, überlegte Tim. Nie
gehört von dem Kaff. Ist der OB dort Ehrenbürger? Gibt’s ‘ne
Städte-Partnerschaft mit unserer Metropole? Aber was würde das den Gangstern
nutzen? Nichts. Im Gegenteil. Auch Eugen-Marcel wäre dort bekannt. Und was
dann?
    Die Erleuchtung kam in der
nächsten Sekunde. Ein Feriendomizil! Klar doch! Das machte Sinn. Das würde den
OB-Sohn freuen. Dort wusste er Bescheid. Und dort — das war nun wirklich
raffiniert! — konnten sich die Gangster verstecken.
    Tim war mit seinem Gedenken
gerade fertig, als ihm Charlotte zu Hilfe kam.
    „Ich glaube, Eugen-Marcel, euer
Ferienhaus im Tal Diabolo — das ist das Ziel. Vor sechs Jahren habe ich —
damals noch mit meinem inzwischen verstorbenen Mann — deine Eltern dort
besucht. Du weißt das nicht. Du warst mit einer Jugendgruppe auf einer
Nordseeinsel. Norderney, soweit ich mich erinnere.“
    „Sylt!“, erwiderte Tim
ungerührt. „Hat mir irre gut gefallen. Seitdem liebe ich Labskaus (Seemanns-Eintopf) und schwarzen Tee.“
    „Jetzt freust du dich, wie?“
Olaf feixte. „Tja, in euer Ferienhaus werden wir uns einnisten. Das ist wie am
Ende der Welt. Dort kommt keiner vorbei. Und wenn doch — dann sind wir eben
liebe Gäste. Dass deine Alten nicht vor September dort aufkreuzen, wissen wir.
Wir können also ganz in Ruhe abwarten, bis der Eifer der Bullen vorbei ist, bis
die wieder ihren üblichen Beamten-Trott machen. Und wir wissen auch, dass euer
Ferienhaus einen schönen Keller besitzt. Mit vergitterten Fenstern.
Ausbruchsicher. Das ideale Ferienquartier für euch.“
    Stritzi mischte sich ein. „In
der Zeitung stand, dass ihr auf die Seychellen fliegt, Eugen-Marcel. In drei
Tagen ist Pfingsten. Wann soll’s denn losgehen?“
    Tim schaltete sofort. „Meine
Eltern wollten allein fliegen. Ich habe es mir anders überlegt. Wegen Gaby. Wir
kennen uns erst seit zwei Wochen. Ich will unsere Freundschaft pflegen.“
    „Dazu hast du jetzt
Gelegenheit.“
    „Wofür ich Ihnen ewig dankbar
sein werde.“
    Gabys schlanke Taille bebte.
Offenbar wurde dort ein Kichern unterdrückt.
    „Jedenfalls“, rief Tim, „haben
Sie meinen Eltern die Ferien versaut. Oder glauben Sie, die fliegen, wenn ich
verschwunden bleibe?“
    „Sei doch froh!“ Stritzi
lachte. „Deine Eltern sparen Geld. Falls sie aber den Flug nicht mehr
stornieren ( rückgängig machen) können, wird dein Alter daraus ‘ne
politische Show machen, nämlich die Reise öffentlich verschenken. Dann heimst
er nicht nur Mitleid ein, sondern auch Sympathie. Und welcher Politiker kann
das von sich behaupten.“
    „Solche miesen Tricks hat mein
Vater nicht nötig.“ Himmel!, dachte Tim. Im Ferienhaus sollte ich mich
auskennen. Hoffentlich schicke ich niemanden in die Speisekammer, wenn er mich
nach der Toilette fragt.
    Sie fuhren eine Weile. Rechts
der Straße war die Einmündung zu einem Feldweg. Ein alter Mann auf einem noch
älteren Rad trat mühsam in die Pedale, bog auf die Straße, verlor das
Gleichgewicht und wäre beinahe vor den Wagen gestürzt.
    Vollbremsung! Fluchend stemmte
sich Stritzi auf die Bremse. Das Wohnmobil schlingerte, hielt und bebte in
allen Wänden.
    Der Alte radelte weiter, ohne
sich umzudrehen. Wahrscheinlich war er taub, halb blind und außerdem betrunken.

    Die abrupte Bremsung hatte
Folgen. Pauline purzelte vom Couch-Bett. Gaby wurde gegen Tim geworfen.
Charlotte quietschte vor Schreck. Aus einem Regal in Kopfhöhe fiel eine
Schachtel. Sie landete auf dem ausgeklappten Tisch und entleerte ihren Inhalt:
Bleistifte, Briefmarken, Gummibändchen, einen fetten Radiergummi, ein Fässchen
blauer Tinte — das aber leer war, zwei Dutzend Büroklammern.
    „Den verkalkten Makkaroni
sollte ich rammen!“, brüllte Stritzi.
    „Cool bleiben!“, warnte Olaf.
„Wir sind harmlose Feriengäste. Bloß keine Scherereien!“
    Pauline sprang Charlotte auf
den Schoß.
    „Das räumen wir auf“, meinte
Tim.
    Mit der freien Linken begann er
den Krimskrams in die Schachtel zu füllen.
    „Lass das liegen!“, brüllte
Olaf.
    „Was ist?“
    „Du sollst das liegen lassen.“
    „Wenn Sie meinen! Aber bei der
nächsten Bremsung fliegen uns die Bleistifte wie Pfeile in die Augen.“
    „Blödsinn!“
    Olaf war aufgestanden und kam
einige Schritte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher