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Verschärftes Verhör

Verschärftes Verhör

Titel: Verschärftes Verhör
Autoren: Jenny Siler
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öffentlichen Fernsprechern. Als er sie entdeckt hatte, schlüpfte er in eine freie Zelle und schloss die altmodische Falttür hinter sich, bevor er Moussaouis Visitenkarte aus der Brusttasche seines verschwitzten Hemdes zog und die Nummer wählte.
    Moussaoui meldete sich schon beim zweiten Klingeln. » Allo?«
    »Ich bin es.« In dem engen Raum konnte Harry sich selber riechen, sein Gestank vermischte sich mit dem der alten Telefonzelle. Dem der ungewaschenen Körper vieler Jahrzehnte.
    »Ich glaube, ich habe etwas für Sie«, sagte Moussaoui und schien stolz auf seine eigene Findigkeit. »Ich habe mit einem Freund gesprochen, der während des fraglichen Zeitraums als Arzt im Oukacha-Gefängnis gearbeitet hat. Er erinnert sich an mehrere derartige Vorfälle, aber nur einmal wurde dabei ein Junge geboren. Das war im Mai ‘83. Der Junge kam in ein Waisenhaus. Nach Ain Chock.«
    Harry umklammerte den Hörer. »Gibt es auch einen Namen dazu?«
    »Die Mutter hieß Manar Yassine. Unverheiratet. Sie wurde unmittelbar nach der Geburt in eine Einrichtung weiter im Süden verlegt. Danach taucht sie nicht mehr in den Akten auf.«
    Ein Todesurteil, dachte Harry. Schlimmer noch. »Und ihre Familie wusste nichts von dem Kind?«
    »Natürlich wusste sie davon«, erwiderte Moussaoui abwehrend. »Die Yassines sind eine angesehene Familie. Die Verhaftung ihrer Tochter war demütigend genug. Sie hätten das Kind nicht angenommen.«
    Selbstverständlich nicht. Jamal, unehelich und im Gefängnis geboren, hätte sie nur daran erinnert, welche Schande seine Mutter ihnen bereitet hatte. Wenn sie ihn damals nicht gewollt hatten, schien es schwer vorstellbar, dass sie ihn jetzt wollten. Dennoch, es war einen Versuch wert. »Haben Sie eine Adresse für mich?«
    Moussaoui zögerte. »Sagen Sie mal, was ist nur mit diesem Jungen? Sind Sie in ihn verliebt?«
    Harry lachte freudlos. »Wie lange kennen wir uns jetzt schon, Abdul?«
     
    Er musste weg von hier, sagte sich Kurtz und ließ die Schlösser seiner Mustertasche zuschnappen. Er schob das letzte Ersatzmagazin in die Jackentasche. Er hatte für drei Tage im Voraus bezahlt, doch nach nur zwei Nächten waren ihm das Hotel und die Mitarbeiter unangenehm vertraut geworden. Für diesen Abend würde er sich etwas anderes suchen. Vielleicht näher am Bahnhof Voyageurs.
    Er nahm die Mustertasche und den kleinen Koffer und trat ans Fenster, um wie üblich einen prüfenden Blick auf die Straße zu werfen. Die beiden Jungen waren noch auf ihrem Posten am Geldautomaten. Sie hatten Konkurrenz bekommen, seit er sie vom Café aus beobachtet hatte, doch das Geschäft lief noch immer gut. Einige Häuser neben der Bank entdeckte er eine gebeugte Gestalt in einem Hauseingang, die rauchte und das Hotel beobachtete. Mahjoub.
    Kurtz war etwas überrascht, den jungen Mann dort zu sehen. Nach der Begegnung vom Vorabend hatte Kurtz sich gefragt, ob er zu brutal vorgegangen war. Doch das Geld, das er Mahjoub angeboten hatte, reichte anscheinend aus, um seine Fehler wettzumachen.
    Er ließ den Zimmerschlüssel auf dem Nachttisch liegen und ging hinunter auf die Straße. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass der junge Mann ihn gesehen hatte, wandte er sich in die andere Richtung. Er ging absichtlich langsam und tauchte in den schmalen Lieferantendurchgang, der an der Seite des Hotels entlangführte.
    Mahjoub hatte ihn rasch eingeholt. Kurtz hörte die harten Sohlen der Stiefel auf dem Beton. Sekunden später tauchte eine Silhouette am Ende des Durchgangs auf.
    »Hier herein!«, zischte Kurtz.
    Mahjoub schaute sich um und kam näher. »Ich habe den Jungen gesehen.« Wie ein Hund, der das Stöckchen zurückbringt.
    »Wo?«
    »In der Medina. Heute Morgen. Er ist ins Hotel des Amis gegangen.« Er lächelte, wollte getätschelt werden.
    »Hundert Dollar.« Kurtz schob die Hand in die Gesäßtasche. Seine Finger schlossen sich um den Lauf der Beretta. Er lächelte zurück. »Das hatten wir doch vereinbart, oder?«
    Mahjoub nickte und kam wie auf Befehl näher.
    Es gab nichts Schlimmeres als jemanden, der andere für Geld verpfiff, dachte Kurtz. Er hob die Waffe und drückte ab. Mahjoubs Gesicht leuchtete im Mündungsfeuer auf – ein verwirrter Blick, der im Tode erstarrte.
     
    »Wo sind Sie gewesen?«, fragte Kat wütend.
    Harry warf einen Blick auf Jamal und bedeutete ihr, mit ihm in den Flur zu kommen.
    »Sie waren über fünf Stunden weg«, zischte sie ihm zu. »Ich dachte, Ihnen wäre etwas
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