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Verarschung

Verarschung

Titel: Verarschung
Autoren: Lars Arffssen
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den Müll und kaufte ein Dutzend Literflaschen Cola. Das sollte für eine Woche oder so reichen. Sie rief ein Umzugsunternehmen an und bestellte einen neunachsigen Sattelschlepper, um ihren Tera-10 zurück in die Wohnung transportieren zu lassen.
    Als sie den Hauptrechner hochgefahren hatte, entdeckte sie ein neues Dokument auf dem Desktop. Es kam von Chamelea. Sie hätte es Lizzy leicht per E-Mail schicken können, aber stattdessen hatte sie sich in den Tera-10 gehackt – Lizzy hatte das für absolut unmöglich gehalten. Langsam begriff sie, dass ihre Schwester vielleicht doch nicht die Pflaume war, für die sie sie gehalten hatte. Tatsächlich musste sie widerstrebend einsehen, dass es nur deshalb so leicht gewesen war, Chamelea zu finden, weil sie gefunden werden wollte; dass sie nur deshalb in den Kharma Klub gegangen war, um dort gesehen zu werden; und dass es niemals wirklich ihre Absicht gewesen war, Salamander reinzulegen, sondern dass sie sie im Gegenteil auf ihre Spur hatte locken wollen. Aus Gründen, die jetzt vermutlich gleich klarwerden würden.
    Salamander öffnete die Datei.
     
Hallo, Schwesterchen. Als einer der größten Hackerstars der Welt solltest du vielleicht ein besseres Passwort als ausgerechnet Walpurgisnacht wählen, das ist immerhin unser Geburtstag. (Herzlichen Glückwunsch im Voraus zum 30.!)
     
    Dabei heißt es doch immer, dass die offensichtlichsten Passwörter die sichersten sind, dachte Salamander.
     
Jedenfalls waren meine ersten Tage im Knast gar nicht so übel. Ich habe mich mit Snorkkle ein wenig angefreundet, indem ich ihm gezeigt habe, wie man Shazam aufs iPhone lädt. Und danke, dass du deine Möbel dagelassen hast. Der Crosstrainer ist super. Aber seit wann stehst du so auf Twinkies? Ich habe all die leeren Verpackungen gefunden, und dabei ist mir klargeworden, wie wenig wir übereinander wissen. Wir haben es zugelassen, dass uns die Jahre voneinander entfremdet haben. Nicht, dass wir je Busenfreundinnen gewesen wären. Ich weiß genau, dass du mich gehasst hast, weil ich Papas Liebling war und dich immer beim Bingo geschlagen habe. Und ich weiß auch, dass dir das Leben übel mitgespielt hat; ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es ist, lebendig begraben zu sein. Du hast mein volles Mitgefühl. Ehrlich.
Aber das Leben war auch für mich nicht gerade ein Ponyhof, Schwesterchen. Nachdem du Papa in Brand gesetzt hattest – ich verurteile dich nicht, sondern stelle nur die Tatsache fest –, habe ich so sehr nach dem Sinn all dessen gesucht. Ich musste schließlich begreifen, dass wir keinesfalls die glückliche Familie waren, als die ich uns immer gesehen hatte. Ich begann, die Schule zu vernachlässigen, und verlor das Interesse am Eiskunstlauf und Köttbullar-Braten. Schließlich begann ich mein Grafikdesign-Studium und hatte endlich das Gefühl, dass mein Leben wieder eine Richtung hatte. Ich bekam den Job bei UKEA und fühlte mich dort sofort zu Hause. Ich wusste, dass der UKEA-Gründer Sløber während des Krieges eine mobile SS-Vernichtungseinheit geführt hatte und sein Sohn Dagher aktiver Neonazi war. Aber das Unternehmen bot Raum für meine persönliche Entwicklung und ausgezeichnete Vergünstigungen. Und da wir – oder zumindest ich – vermuteten, dass Hitler unser Großvater war (ich weiß, dass du immer auf Stalin bestanden hast) – wer war ich, den ersten Stein zu werfen?
Während meiner Arbeit bei UKEA hörte ich von einem Angestellten namens Odder Arssen. Odder war ins UKEA-Heim gesperrt worden, nachdem er behauptet hatte, dass Hitler viele der frühen und einflussreichen Designs des Unternehmens entworfen hätte. Etwa zu dieser Zeit erfuhr ich auch, dass Dagher eine neue Partei mit dem Slogan «Sicherheit für Schwedens Ausländerfeinde» gegründet hatte. Auf einmal fand ich das Unternehmen total abstoßend, gerade weil sein Image immer so quietschsauber gewesen war. Ich reichte Klage ein und hoffte, damit die Verlogenheit dieser beschissenen Firma aufzudecken. Aber auch ich wurde für meine Bemühungen eingewiesen. (Habe übrigens gerade unseren lieben Dr. Telepathian auf TV4 Fakta gesehen, wie er versucht, seine Lebenserinnerungen zu verhökern.)
Nachdem ich meine Entlassung aus dem Heim ausgehandelt hatte, fiel ich erst mal in ein tiefes Loch. Ich hatte keine Lust mehr, Serviettenringe zu entwerfen, aber etwas anderes fiel mir nicht ein. Also begann ich Tagebuch zu schreiben und wurde Mitglied in einer Schriftstellergruppe. Und siehe da, manchmal
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