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Verarschung

Verarschung

Titel: Verarschung
Autoren: Lars Arffssen
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geht der Zufall seltsame Wege: Dort traf ich Twig Arssen. Twig war ein arbeitsloser Journalist, der von literarischem Ruhm träumte. Ich erzählte ihm, dass ich von seinem Großvater Odder gehört hatte, und es stellte sich heraus, dass Twig Odders Geschichte über Hitler und die Gründung von UKEA kannte. Da ich ja nun selbst ein Interesse daran hatte herauszufinden, welcher Art die Beziehung unserer Familie zu AH war, schlug ich vor, dass Twig und ich gemeinsam ein Buch über unsere Familien schreiben sollten. Wir waren unglaublich begeistert. Wir waren so sicher, dass unser Buch ein Bestseller werden und die wichtigsten Literaturpreise gewinnen würde. Und dass es UKEA vernichten würde.
Wir zogen nach Berlin, um zu recherchieren. Aber wir hatten wenig Erfolg mit unseren Bemühungen. Twig fand heraus, dass Hitler nur sehr wenige Möbelstücke entworfen hatte. Die paar Stücke, die auf sein Konto gingen, waren schwer, imposant und mit Schnitzereien von scheußlichen Adlern überladen. In den späten Vierzigern hatte Odder diese Entwürfe Sløber Ukea vorgelegt, der sie sehr lobte, weil sie aus Hitlers Feder stammten – aber für sein Unternehmen lehnte er sie ab, weil sie zu dessen leichterer Ästhetik nicht so recht passen wollten.
Meine Nachforschungen in unserer Familiengeschichte führten ebenfalls zu nichts. In Wehrmachtsarchiven fand ich, dass unser Großvater – nicht Adolf Hitler war, sondern ein junger Offizier, der während der Besetzung Schlesiens verwundet wurde. Er heiratete eine Sowjetsoldatin, unsere Großmutter, während seines Aufenthalts auf der Krankenstation, als er seinen Tripper auskurierte. Nach dem Krieg zogen sie nach Moskau, wo unser Vater aufwuchs. Jede glorreiche (oder weniger glorreiche) Verbindung zu AH hatte sich Papa nur für unsere Gutenachtgeschichten ausgedacht.
Und so löste sich unser Projekt, ein Buch über Hitler, UKEA und die beiden bösen Großväter zu schreiben, in nichts auf!
Twig und ich waren sehr niedergeschlagen – besonders Twig, denn er hatte all seine literarischen Hoffnungen in dieses Buch gesetzt. Wir zogen zurück nach Stockholm und bliesen Trübsal. Um ihn aus seinem Tief zu holen, schlug ich vor, es mit einem anderen Buch zu versuchen, vielleicht mit einem weiteren Krimi. Ich sagte mir: «Twig ist einer von diesen talentierten Autoren, die noch nichts veröffentlicht haben und nur auf ihren Durchbruch warten.» Dann zeigte er mir seine früheren Manuskripte. Ich konnte es kaum fassen, so schlecht waren sie. Kein Gefühl für Sprache, kein Verständnis für die Charaktere. Völlig außerstande, sich auf ein Setting zu konzentrieren, sprang er von Schauplatz zu Schauplatz, von englischen Internaten zum Vatikan, von Ägypten in die Kanalisation von New York.
«Jetzt schreiben wir mal über etwas, wovon wir wirklich Ahnung haben», sagte ich zu ihm. «Unser Krimi spielt in Stockholm.» Ich half ihm, Handlung und Figuren zu entwickeln. Bald übernahm ich auch das Scheiben. Es fiel mir ganz leicht, sobald ich eine klare Vorstellung von meiner Hauptperson vor Augen hatte (rate mal, an wen ich sie angelehnt habe, Schwesterchen?). Und mir gefiel das Tippen auf der alten Schreibmaschine, die Twig auf eBay ersteigert hatte. Ich glaubte, Twig wäre froh über meine Hilfe, aber kennen schwedische Männer überhaupt so etwas wie Dankbarkeit? Um die zu erleben, muss man wohl nach Dänemark ziehen. Twig benahm sich abweisend, zog sich immer mehr zurück, und dann wurde er zu meinem Erstaunen auch noch brutal. Er betrank sich, verfluchte meine Schreiberei, nannte mich Schlampe und Schmierfink. Und eines Nachts schlug er mich dann.
Eine Woche später waren wir zu einem Abendessen bei seinem Freund Jerker Ekkrot eingeladen, dem Experten für Baltische Störe. Ich freute mich sehr darauf, ihn zu treffen. Schon als kleines Mädchen (das überrascht dich jetzt sicher) liebte ich den Baltischen Stör mehr als jeden anderen schwedischen Fisch, und die Störstunden in der Schule machten mir immer am meisten Spaß. (Daher auch das Tattoo.) Aber sobald ich Ekkrot die Hand gab, wusste ich, dass er ein Scheißkerl war. Ich lobte sein Buch, aber er lachte nur zynisch, als ob er das alles schon tausendmal gehört hätte. Während des Abendessens ignorierten Twig und er mich völlig und betranken sich sinnlos. Dann schleppten sie mich hinunter in Ekkrots Keller. Wie so viele schwedische Männer hatte auch er ihn in eine Folterkammer verwandelt. Sie taten mir Unaussprechliches an. Dinge,
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