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0074 - Die Geister-Braut

0074 - Die Geister-Braut

Titel: 0074 - Die Geister-Braut
Autoren: Jason Dark
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Knarrend schwang die alte Tür auf, um den Mann hindurchzulassen.
    Harry Erskine schlängelte sich in kleinen Küchenraum. Er blieb dicht hinter der Tür stehen und warte bis sich seine Augen an das herrschende Zwielicht gewöhnt hatten. Sekundenlang war nur sein aufgeregtes Atmen zu hören.
    Durch das schmale Fenster fiel kaum Licht.
    Schemenhaft erkannte Harry Erskine die Möbel.
    Den alten viereckigen Tisch, die beiden Stühle. Den Schrank, bestehen aus Ober- und Unterteil. Das Waschbecken mit dem blinden Spiegel.
    Die er sah und doch nicht sah.
    Sein Atmen wurde unruhiger, schwerer. Er hatte die Hände geballt. Durch die spaltbreit offenstehende Tür viel ein schwacher Schein und malte den Schatten des Mannes seltsam verzerrt an die Wand.
    »Harry!«
    Eskine zuckte zusammen. Die Stimme seiner jungen Frau riß ihn aus seinen düsteren Gedanken, machte ihn jedoch gleichzeitig bewußt, daß er sich nicht ablenken lassen durfte. Er mußte das auch ausführen, was er sich vorgenommen hatte.
    »Harry, wann kommst du?«
    Er gab keine Antwort. Sie würde ihn schon früh genug sehen. Und dann sollte sie…
    Harry lachte auf, als er daran dachte. Mit zwei kleinen Schritten erreichte er den Küchenschrank.
    Ja, es war alles da.
    Das Geschirr, die Töpfe, die Teller, die Bestecke…
    Harry legte seine Hand auf die Platte und spreizte seine Finger. Dann zog er den rechten Arm zu sich heran, ließ ihn über die Kante rutschen und auf den metallenen Griff der Schublade fallen. Die Finger packten zu. Hart umklammerten sie den Griff.
    Wieder ein schwerer Atemzug. Ein kurzes Zögern. Es schien, als würde sich der Mann noch einmal alles überlegen. Das Atmen mündete in einem bösen Knurren.
    Dann ein Ruck.
    Die Lade verkantete, war aber offen.
    Einfache Bestecke blinkten. Sie lagen links, in vorgefertigten Fächern. Der Mann jedoch schaute darüber hinweg. Er interessierte sich für etwas anderes.
    Sein Blick wanderte nach rechts. Dort lagen die größeren Messer. Die Tortenschneider und die beiden Fleischermesser.
    Er nahm das mit der längsten Klinge.
    Sie lief vorn spitz zu, so daß er auch damit zustechen konnte.
    Zustechen…
    Das wollte er.
    Das Atmen wurde schwerer. Die Hand, die das Messer aus der Lade zog, vibrierte.
    Es war eine kräftige Hand. Eine Hand, die auch zupacken konnte. Die schwere Arbeit gewohnt war.
    Aber nicht zu morden.
    Noch nicht…
    »Harry, bitte!« Wieder hörte er die Stimme seiner Frau, und sein Gesicht verzog sich. Sekundenlang blitzten sie Augen in der Dunkelheit haßerfüllt auf, dann gab er sich einen Ruck, drehte sich um und schritt zur Tür.
    Die Schublade ließ er offen. Er durchquerte den schmalen Korridor und ging an der Treppe vorbei, die nach oben führte, wo auch die Schlafzimmer lagen.
    Zimmer, die sie nie benutzen würden…
    Vor der Tür zum Wohnzimmer blieb er stehen.
    Warmer Lichtschein fiel durch den Spalt hinaus in den Korridor und zeichnete einen hellen Balken auf den Holzdielenboden, wo er auch noch die Schuhspitzen des Mannes aus der Dunkelheit riß.
    Harry Erskine erwachte wie aus einem Traum, als er die Schritte seiner jungen Frau hörte. Siedendheiß fiel ihm ein, daß er noch das Messer in der Hand hielt.
    Hastig ließ er es verschwinden. Er steckte es so in seinen Gürtel, daß er sich nicht selbst verletzte, auch wenn er sich hinsetzte.
    Die Tür wurde aufgezogen.
    Auf der Schwelle stand Su. Susan Erskine, seit heute Harrys Frau. Sie schauten sich an.
    Lange, fordernd…
    Su war eine Schönheit. Sie hatte das Haar so schwarz wie das Gefieder eines Raben. Es war zu einer Außenrolle gedreht, wie es die Mode zur Zeit vorschrieb. Ihr Gesicht zeigte einen sanften Ausdruck, es verbarg die Kälte und Leidenschaft, die in dieser Frau steckte.
    Das zumindest glaubte Harry Erskine.
    Jetzt aber lächelte sie. »Warum willst du denn nicht kommen, Harry?«
    Er quälte sich ein Grinsen ab. »Bin ja schon unterwegs.«
    »Das Essen wird kalt.«
    Susan trug ihr Brautkleid. Ein weißes, langes Gebilde, das sie selbst genäht hatte. Es fiel bis auf die Knöchel, und auf Susans Stirn saß ein halber Kranz aus Maiglöckchen. Wo sie die am ersten August aufgetrieben hatte, wußte selbst Harry Erskine nicht.
    »Komm«, sagte sie und drehte sich um.
    Sie schritt vor ihm her zu dem gedeckten Tisch.
    Susan hatte sich Mühe gemacht. Zwei brennende Kerzen gaben ein anheimelndes Licht. Durch den Luftzug bewegt, warfen die Flammenzungen lange Schatten an die Wände.
    »Knipst du das Licht aus?«
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