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Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)

Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)

Titel: Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
Autoren: Georg Sander
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Mordfall Tina Hofer
 
Vor zwanzig Jahren
    Die Sonne war schon lange untergegangen, und es war jetzt fast vollständig dunkel. Aus dem kniehohen Gras am Rand der provisorischen Straße drang das Zirpen einsamer Grillenmännchen. Glühwürmchen tanzten über den Büschen, deren Umrisse sich schwach vor der schwarzen Silhouette der etwas entfernt stehenden Bäume abzeichneten. Von der menschenleeren Großbaustelle hinter der Wegbiegung wehte der Geruch aufgeworfener Erde herüber und vermischte sich mit den Aromen des Waldes.
    Tina Hofer trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Die Dunkelheit war unheimlich. Sie stand seit einer Viertelstunde hier draußen und wurde langsam nervös. Schließlich griff sie durch das geöffnete Seitenfenster ihres zehn Jahre alten Kadett, den sie am Wegrand geparkt hatte, und schaltete das Standlicht ein. Obwohl die Scheinwerfer die Umgebung nur wenig zu erhellen vermochten, fühlte Tina sich jetzt etwas weniger verloren.
    Die Minuten vergingen, ohne dass sich etwas tat. Dennoch war sich Tina sicher, zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein. Sie hatte den Zettel, der heute Morgen in ihrem Briefkasten gelegen hatte, bestimmt schon ein halbes Dutzend Mal gelesen. Die in markanten Großbuchstaben verfasste Nachricht hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt:
    WENN SIE MEHR ERFAHREN WOLLEN, SEIEN SIE UM 22 UHR AN DER ZUFAHRT ZUR PFAFFENWIESE. REDEN SIE MIT NIEMANDEM DARÜBER UND KOMMEN SIE ALLEINE.
    Die Botschaft war nicht unterschrieben , und sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wer ihr Informant sein könnte. Diese Ungewissheit war ziemlich aufregend und auch ein wenig beängstigend.
    In der Ferne war jetzt ein Fahrzeug zu hören. Tina schloss die Augen und lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Das Motorengeräusch wurde lauter. Das musste der unbekannte Informant sein, denn es gab in der Nähe außer dieser unbefestigten Sackgasse, die zum künftigen Industriepark führte, keine andere Straße. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Stell dich nicht so an, ermahnte sie sich selbst. Heute würde sie hoffentlich die Antworten auf einige offene Fragen erhalten, mit denen sie sich seit Tagen herumschlug. Dann konnte sie ihre Vermutungen über Korruption und Filz in Waldenthal und die dunklen Machenschaften bei der Erschließung des Industriegebiets Pfaffenwiese endlich beweisen. Sie zweifelte nicht daran, dass dann auch ihre skeptischen Kollegen in der Redaktion des Morgenkurier anerkennen würden, dass ihre Recherchen Hand und Fuß hatten.
    Die Lichter eines Scheinwerferpaars tanzten über das Buschwerk am Straßenrand und warfen gespenstische Schatten auf den Schotter. Dann bog auch schon ein großer Wagen um die Kurve. Er näherte sich nur langsam, die nur grob befestigte Piste erlaubte keine hohen Geschwindigkeiten. Schließlich kam das Fahrzeug etwa zehn Meter vor dem Kadett zum Stehen und der Motor erstarb. Der Fahrer unterließ es, die Lampen auszuschalten. Tina blinzelte in das grelle Licht, konnte jedoch kaum etwas erkennen. Sie hörte, wie der Fremde ausstieg und die Autotür zuschlug. Während er sich ihr ohne Eile näherte, schälten sich seine Umrisse allmählich aus dem Lichtkegel.
    „Wer sind Sie?“, rief sie zaghaft. Tina war mulmig zumute. Etwas in ihr ermahnte sie zur Vorsicht. Der Fremde antwortete nicht. Als er nur noch wenige Meter von ihr entfernt war, wurde seine Silhouette allmählich deutlicher. Er war mittelgroß und stämmig. Und er hielt etwas in der Hand, das wie ein schwerer Knüppel oder eine Eisenstange aussah.
    Sie war in eine Falle geraten. Die Erkenntnis überwältigte Tina und ließ sie für zwei Sekunden reglos erstarren. Doch dann fiel die Lähmung schlagartig von ihr ab. Sie wirbelte herum, rannte in die Finsternis, so schnell sie konnte. Der Fremde stieß eine derbe Verwünschung aus. Dann konnte sie hören, dass er sie verfolgte. „Schneller!“, befahl sie sich selbst. Sie war jung und eine gute Läuferin, sie hatte alle Chancen, dem Mann zu entkommen. Mit ausgreifenden Schritten rannte sie die Zufahrt zur Baustelle entlang. Die von Buschwerk und Bäumen halb verdeckten Autoscheinwerfer, von denen sie sich rasch entfernte, waren die einzige Lichtquelle. Tina musste höllisch aufpassen, nicht vom Weg abzukommen oder über einen der überall herumliegenden faustgroßen Steine zu stolpern. Ihr Verfolger schien mit den gleichen Problemen zu kämpfen, denn er fiel etwas zurück. Sie kannte das Gelände recht gut und rief sich ins Gedächtnis, was sie
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