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Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)

Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)

Titel: Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
Autoren: Georg Sander
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einen Moment zu gedulden. Oberbürgermeister Dubois nimmt zur Zeit noch an einer Besprechung teil, die sich leider noch etwas hinzieht.“ Der langjährige Pressesprecher der Stadt saß an seinem üblichen Platz links vom Kopfende des massiven Konferenztischs im Besprechungsraum des Rathauses. Der noch freie Stuhl an der Stirnseite war natürlich dem OB vorbehalten.
    Das halbe Dutzend Medienvertreter nahm die Nachricht von der Verspätung gelassen auf. Das Thema war so spannend, dass eine kurze Wartezeit keine Rolle spielte. Die Pressekonferenz war einberufen worden, nachdem der Privatsender Radio Waldenthal in der letzten Woche mehrfach über einen Fall von angeblicher Vetternwirtschaft berichtet hatte. Oberbürgermeister Roland Dubois wurde vorgeworfen, der Tochter eines befreundeten Schuhfabrikanten den Posten der stellvertretenden Geschäftsführerin des geplanten Zentrums für französisch-deutsche Geschichte zugeschanzt zu haben. Pikanterweise sollte diese Einrichtung, in die üppige Fördermittel aus Mainz, Berlin und Brüssel flossen, in einem nicht mehr benötigten Seitentrakt der Fabrik des besagten Unternehmers eingerichtet werden. Der Eindruck von allzu enger Kooperation von Verwaltung und Wirtschaft wurde noch durch die Mitgliedschaft der beiden Männer im selben Golfclub verstärkt. Radio Waldenthal hatte seine reißerischen Reportagen deshalb unter den griffigen Titel Club-Affäre gestellt.
    „Die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass Dubois gerade von der Partei- und Fraktionsspitze gegrillt wird“, sagte Edda Sahm, die Chefredakteurin des Senders, an den neben ihr sitzenden Pressesprecher gewandt. Sie hatte die Berichterstattung über die Club-Affäre ins Rollen gebracht und hielt die Story durch die häppchenweise Veröffentlichung immer neuer und natürlich exklusiver Informationen beständig am Kochen.
    Meister, gemeinhin ein unerschütterlicher Fels in der Brandung, wandt sich unbehaglich: „Frau Sahm, Sie wissen doch, dass ich mich dazu nicht äußern kann.“
    So leicht ließ sie sich nicht abwimmeln: „Na gut, dann formuliere ich es als Frage: Können Sie uns Auskunft darüber geben, wo sich der Oberbürgermeister gerade aufhält?“
    „Ich kann Ihnen nur sagen, dass er keinen verwaltungsinternen Termin wahrnimmt.“
    Edda Sahm lachte gackernd: „Lassen Sie es mal gut sein, Herr Meister. Ich erfahre es sowieso.“
    Velten zweifelte keine Sekunde daran, dass ihr das tatsächlich gelingen würde. Die füllige Reporterin mit der blondierten Bürstenfrisur und der Neigung zu schrillbunter Kleidung war eine ausgezeichnete Rechercheurin, die immer wieder kleine und größere Skandale aufdeckte. Sie sorgte damit für erhebliche Unruhe in der Kommunalpolitik und natürlich auch für stetig steigende Hörerzahlen für ihren Sender. Mit ihren saftigen Reportagen über die Verfehlungen der Lokalprominenz und mit einem Musikangebot, das perfekt auf ein vorwiegend jüngeres Publikum zugeschnitten war, hatte Radio Waldenthal die öffentlich-rechtliche Konkurrenz längst meilenweit hinter sich gelassen.
    Lange hatte es so ausgesehen, als würde der Sender auch noch dem alteingesessenen und als angestaubt geltenden Waldenthaler Morgenkurier den Platz als wichtigstem Medium in der Stadt streitig machen können. Doch vor allem im letzten halben Jahr hatte die Zeitung ihren Rang mit aufsehenerregenden Scoops und einer rasant wachsenden Präsenz in sozialen Netzwerken wieder ausbauen können. Beides ging vor allem auf das Konto von Velten und Katja Marcks, wobei der langjährige Lokaljournalist seine profunden Kenntnisse der lokalen Strukturen und die junge Kollegin ihre nassforsche Unbekümmertheit und Internetkompetenz ausspielten.
    Veltens Gedankengänge wurden abrupt unterbrochen, als die Tür des Besprechungszimmers schwungvoll geöffnet wurde und Roland Dubois den Raum betrat. „Entschuldigen Sie bitte die Verspätung“, sagte er anscheinend gut gelaunt. „Ich wurde leider aufgehalten.“ Wie üblich ging er um den Tisch und gab jedem der Journalisten und Fotografen die Hand. Alles sollte so sein wie immer, doch Velten entgingen weder die etwas eingefallenen Wangen des Oberbürgermeister s noch sein fahrig wirkender Blick. Die tagelange Kampagne von Radio Waldenthal hatte offensichtlich Eindruck hinterlassen.
    Dubois nahm seinen gewohnten Platz ein und zog ein Blatt Papier mit einigen handschriftlichen Notizen aus seiner Jackentasche. „Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen dafür, dass Sie
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