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Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)

Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)

Titel: Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
Autoren: Georg Sander
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Herumblättern fand er das Dokument, das er gesucht hatte: „Hier können Sie es nachlesen. Wir hatten schon zu Beginn der Planungen darauf hingewiesen, dass der Hang über der Zufahrtsstraße instabil ist“, erklärte er und Velten meinte, in seiner Stimme noch nach zwanzig Jahren den grimmigen Furor zu hören, der den heute gut fünfzigjährigen Politiker damals bewegt haben musste. „Sehen Sie, wir hatten ein alternatives Gutachten durch ein unabhängiges Ingenieurbüro anfertigen lassen.“
    „Ich nehme an, das war den übrigen Fraktionen egal.“
    Ferdi Bauer lachte bitter: „Natürlich. Der Bau dieses völlig überflüssigen Industriegebiets inklusive Straßen, Kanalisation und was sonst dazugehört, war längst beschlossene Sache, als der Stadtrat offiziell informiert wurde. Unsere Expertise wurde zu den Akten genommen. Ganz nach der alten Devise lesen, lachen, lochen .“ Er fuhr mit dem Finger über jede Zeile des Dokuments, bis er schließlich fast ans Ende des vergilbten Schriftstücks gelangte: „Hier ist die entscheidende Stelle.“ Er schob den Ordner zu Velten herüber.
    Dieser las den Absatz laut vor: „Steigungswinkel und Bodenbeschaffenheit des Hangs über der geplanten Zufahrt zum projektierten Industriegebiet Pfaffenwiese lassen es zweifelhaft erscheinen, dass sich die vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die Stützmauer, langfristig als ausreichend erweisen. Vor allem nach anhaltenden, ergiebigen Niederschlägen ist mit Schäden am Bauwerk und massiven Erdrutschen zu rechnen.“ Velten pfiff leise durch die Zähne. Das Ingenieurbüro hatte präzise vorhergesagt, was sich in der letzten Nacht ereignet hatte. Die Bedeutung der Expertise hätte damals auch den Mehrheitsfraktionen im Stadtrat einleuchten müssen. Er schilderte Bauer seine Ansicht.
    „Unsere Stellungnahmen wurden alle ins Lächerliche gezogen. Wir galten als Fortschrittsverweigerer, Spinner und Utopisten. Rudolf Denig, der damalige Vorsitzende der Konservativen im Rat, sorgte dafür, dass auch dieses Gutachten in der Versenkung verschwand.“
    Velten konnte sich nur noch dunkel an Denig erinnern. Der streitbare Politiker war noch vor dem Beginn der Bauarbeiten an der Pfaffenwiese aus Altersgründen aus der Politik ausgeschieden und seine Tochter Regina, die nicht weniger resolut war, führte seitdem die Fraktion.
    „Er hat mich auf eine Art und Weise behandelt, die eines demokratischen Parlaments unwürdig ist“, fuhr Bauer erbittert fort. „Wann immer ich im Rat zum Thema Pfaffenwiese sprach, riss er seine Witze über mich und beschimpfte mich als Kröten-Ferdi und Ähnliches.“

„Wie bitte?“
    „In dem Feuchtgebiet, das sich südöstlich an die Pfaffenwiese anschließt, hatten Umweltschützer damals mehrere Exemplare der vom Aussterben bedrohten Knoblauchkröte gesichtet. Die Grenze zu Frankreich und weiter nördlich zu Luxemburg und den Niederlanden gilt als westlichstes Verbreitungsgebiet dieser Spezies. Als ich im Rat darauf hinwies, verpasste der alte Denig mir den Spitznamen Kröten-Ferdi . Und wissen Sie, was das Schlimmste ist?“
    „Nein.“
    „Dass Konservative und Sozis uns noch immer genauso herablassend behandeln wie damals. Die Personen wechseln, aber die Ignoranz, mit der unsere Einwände vom Tisch gefegt werden, ist heute die gleiche wie damals.“
    Velten war der Ansicht, dass Bauers Partei und die ihr nahestehenden Umweltgruppen daran nicht ganz unschuldig waren. Die Aktivisten waren berüchtigt dafür, im Umfeld jedes von der Stadt geplanten Bauprojektes bedrohte Tierarten aufzustöbern, die unbedingt geschützt werden mussten. Mal galt es, seltene Zauneidechsen vor den Beeinträchtigungen durch einen neuen Campingplatz zu bewahren. Ein anderes Mal störten Arbeiten in einem längst vergessenen Tunnel angeblich den Schlaf der dort vermeintlich lebenden Fledermäuse. Zwar wurden die Einwände der Öko-Aktivisten im Kommunalparlament regelmäßig abgebügelt, doch vor Gericht gelang es Bauer und seinen Mitstreitern immer wieder, Bauvorhaben zu verzögern oder kostspielige Ausgleichsmaßnahmen zu erzwingen.
    „Kann ich eine Kopie des Gutachtens haben?“
    Bauer nickte: „Ich lasse es für Sie einscannen. Sie erhalten es per E-Mail.“
    „In dem Erdrutsch wurden die Überreste eines Menschen gefunden. Können Sie sich darauf einen Reim machen?“
    „Ich sehe da keinen Zusammenhang.“ Bauer brachte ihn noch zur Tür: „Ich hoffe, dass der Waldenthaler Morgenkurier heute eine
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