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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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VORWORT DIE BLUTSPUR
    E s ist das Aufeinandertreffen zweier Legenden, Muhammad Ali gegen Mike Tyson sozusagen, wenn auch mit nicht ganz gleichmäßig verteilten Chancen: Auf der einen Seite die GSG 9, die Elite der Elite, die Enkel der Helden von Mogadischu, das ultimative Mittel des Rechtsstaates. Und auf der anderen Seite Frank Hanebuth, mächtigster Hells Angel in Europa, Ex-Schwergewichtsboxer, 1,96 Meter groß, locker 140 Kilo schwer. »Der Lange« gilt als Pate von Hannover, sein Wort ist vielen Männern Gesetz.
    Hanebuth wohnt nördlich der niedersächsischen Landeshauptstadt, in der ebenso sattgrünen wie gutbürgerlichen Gemeinde Wedemark. Seine Villa, Fachwerk mit rotem Klinker, liegt hinter einem zwei Meter hohen Zaun, der mit Stacheldraht bewehrt und mit Kameras gespickt ist. Die Nachbarn des Chefrockers sind Musiker und Chefärzte, Manager und Politiker, die sich privat in ihre schöne, heile, wohlhabende Welt zurückgezogen haben.
    In dieses Idyll dröhnt am 24. Mai 2012, morgens um kurz nach 5 Uhr, ein 3200 PS starker Hubschrauber der Bundespolizei vom Typ Super Puma. An Bord des blau lackierten Monstrums hocken ein Dutzend Elitepolizisten der Spezialeinheit GSG 9, Funkname »Wotan«. Schwer bewaffnet mit Maschinenpistolen, 9-Millimeter-Waffen, Pumpguns und Blendgranaten seilen sich die maskierten Kämpfer in den schwarzen Einsatzoveralls in Hanebuths Garten ab.
    Sie erschießen einen sechs Monate alten Hütehund, zwecks Eigensicherung, wie es hinterher im schönsten Polizeideutsch heißt, als ihnen der aus dem Schlaf gerissene Rockerfürst auch schon entgegenläuft. Die Hände hält er über den Kopf, sich der Staatsmacht ergebend. Denn diesen Kampf, das weiß Frank Hanebuth, kann er nicht gewinnen, und weil er ein cleverer Mann ist, will er sich auch gar nicht erst darauf einlassen.
    Zeitgleich durchsuchen mehr als 1000 Beamte, darunter Hunderte Spezialeinsatzkräfte, Wohnungen, Häuser, Bordelle und Bars im Norden der Republik. Auf einer Pressekonferenz feiern die Polizeiführer Stunden später ihren Schlag gegen das Verbrechen. Die Aktion sei »historisch« gewesen, sagt ein Beamter sehr zufrieden.
    Tatsächlich markiert der Einsatz der GSG 9 gegen den mächtigsten deutschen Hells Angel den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung, in deren Verlauf der Druck des Rechtsstaats auf die Rockerszene stetig gewachsen ist. Immer stärker gehen die Ermittler in Bund und Ländern seit einigen Jahren gegen die sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs ( OMCG ) vor. Es hagelt Verfahren, Durchsuchungen, Festnahmen, Prozesse und Vereinsverbote: Unter anderem in Neumünster, Flensburg, Frankfurt, Kiel, Köln, Aachen und Berlin werden Rockerclubs geschlossen.
    Und dann geschieht im Sommer 2012 das Undenkbare. Die Hells Angels machen aus eigenem Antrieb kurz hintereinander ihre wichtigsten, größten und prestigeträchtigsten Dependancen in Deutschland dicht. In Bremen löst sich das Charter »West Side« auf, in Hannover der Club des Frank Hanebuth. Und auch die Berliner »Nomads« – im Selbstverständnis der Hells Angels eine Art Eliteverband – flüchten aus der Hauptstadt ins beschaulichere Brandenburg.
    Für das Milieu der Motorradgangs ist das in etwa so, als hätten Borussia Dortmund, Bayern München und der Hamburger SV gleichzeitig ihre ersten Mannschaften vom Spielbetrieb der Fußball-Bundesliga abgemeldet – und zwar um einer drohenden Sperre durch den DFB zuvorzukommen. Es ist ein Erdbeben in der Bikerszene, Stärke 10,0 auf der Rockerskala, etwas, das es in dieser Dimension noch nie gegeben hat und das viele Jahre zuvor noch vollkommen unvorstellbar war. Die Frage muss daher lauten: Wie zur Hölle ist es dazu gekommen?
    Denn eigentlich befand sich die Szene in einem beispiellosen Aufwärtstrend. Europol zufolge verdoppeln die beiden größten Clubs – Hells Angels und Bandidos – die Zahl ihrer europäischen Filialen seit 2005 nahezu. Deutschland ist im Frühling 2012 weltweit der größte Rocker-Standort nach den USA . Und während es im Herbst 1999 gerade einmal 50 Hells Angels in fünf Chartern gab, zählt das Bundeskriminalamt ( BKA ) im Jahr 2011 bereits 1211 Höllenengel in 57 Chartern. Dem stehen 1029 Bandidos in 73 Chaptern gegenüber – auch deren Zahl ist zuletzt explodiert: Nur ein Jahr zuvor registrierte das BKA bloß 721 Banditen in 50 Chaptern.
    Begleitet wird die rasante Expansion der Gangs von einer jahrelangen Dauerfehde, in der sich vor allem Hells Angels und Bandidos auf das
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