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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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zu suchen. Der Hannoveraner Hells-Angels-Anführer Frank Hanebuth bildet eine monetäre Ausnahme, hat er es doch wohl zum Millionär gebracht und war für viele Jahre in seiner Heimatstadt sehr geachtet.
    Rocker und ihre Gangs haben eigene Wertesysteme, Regeln und Moralvorstellungen, nach denen sie leben, die gängigen Normen der Gesellschaft lehnen sie ab. Doch in ihrem Abgrenzungswillen sind die Gangs schon wieder wertkonservativ. Die meisten Gesetze der Motorradbanden bestehen seit mehr als 60 Jahren, ohne dass sie wesentlich modifiziert wurden.
    Das exzessive Ausleben der Bikerphilosophie erfolgt meist an Wochenenden, wenn die sogenannten Clubabende stattfinden, und in den Sommermonaten, wenn die »Runs« besucht werden. Eine Harley-Davidson ist dann Pflicht. Runs sind Ausfahrten, es gibt sie zu diversen Anlässen und in unterschiedlichsten Größenordnungen. Generell gilt, dass die Gelage mit dem Begriff »Fest« nur unzureichend beschrieben wären. Eine an das Mittelalter erinnernde Zügellosigkeit trifft es besser. In der sozialwissenschaftlichen Literatur ist von »Zeiten institutionalisierter Anarchie« die Rede.
    Die Freiheit zu tun und zu lassen, was man für richtig hält, als Gesetz nur die Regeln der Rocker zu akzeptieren, niemandem Rechenschaft schuldig zu sein, nur den »Brüdern«. Das ist eine aparte Weltsicht, die sich zu gleichen Teilen auf quasi-religiöse Grundsätze und ein anarchistisches Freiheitsgefühl stützt – Anarchismus wörtlich verstanden als »Freiheit von Herrschaft«, nicht als Unordnung.
    Wenn Rocker Bücher läsen – na gut, das ist nicht gerade ihr Hobby –, machten sie am Ende wahrscheinlich den französischen Rebellen Pierre-Joseph Proudhon (leider schon 1865 gestorben) zu ihrem Guru. Der hat das ganze Rocker-Einmaleins in einem Satz vorweggenommen: »Wer eine Regierung – und deren Polizei – über sich hat, wird beaufsichtigt, kontrolliert, bespitzelt, gelenkt, mit Gesetzen überzogen, reglementiert, zum Gegenstand von Akten gemacht, mit Ideologie geimpft, ständig ermahnt, besteuert, gewogen, zensiert, herumkommandiert, und zwar von Männern, die weder ein Recht noch das Wissen, noch die moralische Sauberkeit dazu haben.«
    Hoch am Firmament des Rocker-Himmels überstrahlt deren Freiheitsglaube sogar die menschliche Furcht vor dem Tod. Deshalb überrascht es nicht, dass der gut 40 Jahre alte US -Streifen »Easy Rider« – zwei Männer fahren auf Motorrädern quer durch Gottes eigenes Land und segnen dabei das Zeitliche – ihr Lieblingsfilm ist. Zumindest der der alten Generation.
    Kaum eine Gruppe lebt Subkultur so intensiv wie die Bikerszene. Mit ihren Normen wollen sie sich deutlich von der herrschenden Kultur abgrenzen. So akzeptiert die Allgemeinheit das Gewaltmonopol des Staates, was Rockern nie in den Sinn käme. Im Gegenteil: Der Staat ist der Feind und sich gegen ihn zu Wehr zu setzen selbstverständlich. Das verdeutlichen die Rocker auch gerne durch ihre Wortwahl: Als »Inzestkinder« und »Hurensöhne« soll etwa Kadir Padir, einst ein Boss der Bandidos und später bei den Hells Angels, Polizisten in Berlin bezeichnet haben.
    Gleichzeitig bietet der Club seinen Mitgliedern eine Heimat, in der man sich nicht nur in der Ablehnung der bürgerlichen Werte einig ist. Es gibt ein soziales Gefüge, in dem der Rocker sich wiederfinden kann, eine Art Familie. Sie selbst nennen es Bruderschaft – »Brotherhood«.
    Eine archaische Männerwelt, basierend auf Ritualen, in ihrer Struktur einer Armee ähnlich. Wie dort gilt bei den Rockern: »Non potest bene imperare, qui male ante serviit.« Zu Deutsch: »Wer befehlen will, muss vorher gehorchen lernen.« Oder anders: erst Kriecher, dann Krieger. Wie in der Armee, die ja früher auch eine reine Männerdomäne war, ist ein Rocker-Rekrut zunächst Befehlsempfänger. Er muss seinen Vorgesetzten ebenso dienen wie denen, die schon länger dabei sind. Den Umgang zwischen Neulingen und Veteranen sowie zwischen den Mitgliedern jeden Ranges bestimmen Gesetze. Ob Hells Angels, Bandidos oder Mongols, sie alle haben Regeln, »Rules« genannt, und einen Codex, der nicht gebrochen werden darf – ein Leben lang. Auf den Westen und Oberarmen der Hells Angels prangt denn auch die Abkürzung » AFFA« : »Angels forever, forever Angels«. » BFFB« tragen die Bandidos stolz umher.
    Die Aufnahmerituale sind streng. Bei den Höllenengeln dauert es bisweilen Jahre, bis aus einem schnöden Motorradfahrer ein echter Rocker wird. Bei den
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