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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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die Ehre meines Vereins, bringt mir das Ruhm und Respekt, so rechnen die Mitglieder. Bestimmte Dinge, wie die Kutte mit dem hinten aufgenähten Logo der Bande, müssen die Männer sogar mit ihrem Leben verteidigen. Nicht immer halten sie sich daran. Auch Bandidos und Hells Angels haben Angst. Man stirbt nur einmal.
    Als »Eschli« Elten im Oktober 2009 das Clubhaus der Bandidos verlässt, trennt ihn vom Tod nur noch eine Begegnung. Denn an der Ampel, einen Katzensprung entfernt und direkt in seiner Sichtachse, spielt der Hells Angel Timur A. mit dem Gaspedal seines weißen Mercedes. »Eschli« und Timur sind alte, hartgesottene Feinde, weshalb der motorisierte Vorstoß des »Höllenengels« in das Territorium des Bandidos als starkes Stück gelten muss. So etwas darf man sich als Rocker nicht gefallen lassen.
    »Komm raus, du Sau, mach dich gerade!«, eröffnet »Eschli« die Unterhaltung. Doch Timur will nicht. Er zieht einen Revolver und bleibt im Auto sitzen, das Fenster offen. Spätesten jetzt hätte der breitschultrige Bandido den Rückzug antreten müssen, denn er hat nur ein Messer dabei. Ein Messer gegen eine entsicherte Handfeuerwaffe, da steht der Sieger schon fest.
    Doch nun kommt die Ehre ins Spiel, die Rockerehre. Sie verbietet »Eschli« den Rückzug, denn: lieber tot als Zweiter. Deshalb provoziert der lebensgefährlich Bedrohte den Pistolenmann ein letztes Mal: »Mach doch, schieß!« Das allerdings kann dieser sich nicht zweimal sagen lassen, denn auch seine Ehre steht auf dem Spiel. Was würden die anderen Hells Angels von ihm halten, wenn er, der schwerbewaffnete Timur, vor dem schwächer bewaffneten Bandido »Eschli« kneift? Timur schießt viermal, »Eschli« versucht nun doch noch zu flüchten. Der letzte Schuss trifft ihn in den Hinterkopf.
    »Was für eine Scheiße!«, lautet die Bilanz des Timur A. später bei der Polizei. Im Namen des Volkes verurteilt das Duisburger Landgericht den Schützen 2010 als Totschläger zu elf Jahren Gefängnis. Kann man vom Leben, hat sich der Dichter Robert Musil gefragt, wenn es gewaltig ist, auch noch fordern, dass es gut sein soll?
    Das Weltbild der Rocker ist festgefügt, deshalb gibt es auch auf diese Frage eine Antwort. Sie lautet: Ein Mann begeht niemals ein Unrecht, wenn er sich an die Regeln der Gangs hält. So gesehen sind beide Rocker ihrem Schicksal gefolgt, ein jeder in Treue fest.
    Dass der Tod aber so nahe ist und so schnell vollstreckt wird, hat auch die Brüder irritiert, die sich Gesetzlose nennen und die, um einer Sache Nachdruck zu verleihen, gern sagen: »Dafür würde ich mein Leben geben.« Sie sind, suggerieren sie jedenfalls, dem Tod ganz nahe, sie geben ihn, sie nehmen ihn. Von Malaisen wie Prügeln und Verprügeltwerden, von Schmerzen und Messerstichen ist selten die Rede, schon gar nicht in klagender Weise. Rocker sind harte Jungs.
    Doch seit ihre Situation auf vielerlei Weise destabilisiert wird, durch die Staatsgewalt, die öffentliche Aufmerksamkeit und die gnadenlose Rivalität untereinander, seit der Tod also eine realistische Bedrohung für viele ist, seither verliert auch der »Eschli«-Timur-Mythos an Strahlkraft. Mit dem Tod muss man als hauptberuflicher Rocker neuerdings ernsthaft rechnen, das ist auch für ganz harte Jungs kein angenehmer Gedanke.
    Bikerphilosophie: Saufen, Fressen, Sex
    Der Begriff »Rocker« ist irreführend – ein Scheinanglizismus, der nur im deutschen Sprachraum benutzt wird. Ihrem Selbstbild entsprechend bezeichnen sich Hells Angels, Bandidos und Co. weltweit als »Biker«. Die Harley unterm Hintern, die Haare im Wind. Nur selten darf die Freundin mit. Rockergangs sind eine Männerwelt, da haben Frauen an Stangen zu tanzen und Bier zu bringen. Topless.
    Jay Dobyns, der als Verdeckter Ermittler die amerikanischen Hells Angels infiltrierte, hat in einem Buch die Rockerszene in den Vereinigten Staaten beschrieben. Seine Charakterisierungen lassen sich ohne weiteres auch auf die deutschen Rocker übertragen: »Sie waren Typen«, schreibt der frühere Fahnder, »die ohne Totenkopf auf dem Rücken abgehalfterte Herumtreiber gewesen wären, die allein am Ende der Theke sitzen und Vierteldollarmünzen zählen, um zu prüfen, ob sie sich noch eine Dose Budweiser leisten können.« Doch in Kutten »erhielten sie die Drinks umsonst, und die Frauen standen bei ihnen Schlange. Man behandelte sie wie Könige.«
    Die Subkultur der Rocker ist am unteren Ende der Gesellschaft angesiedelt, Akademiker haben hier nichts
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