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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Autoren: Diane Ducret
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Einführung:
Liebesbriefe an einen Diktator
    Verehrter „Führer“
    Der Staat geht daran zugrunde, dass er die Mütter zugrunde gehen lässt […] Von Ihnen, lieber Herr Hitler, erwarten die deutschen Frauen eine bessere Zukunft.
    Emmy Hoffmann, Dresden 1932 [1]
     
    Eine Unbekannte eröffnet menetekelhaft den Reigen der privaten Briefe an Adolf Hitler in der Reichskanzlei. Die deutschen Frauen erwarten eine bessere Zukunft, und Hitler soll sie ihnen geben. Aber wird der verwegene Führer der Nazipartei dem Appell einer Frau aus der Provinz tatsächlich Gehör schenken? Die Wahlen, die ihn an die Macht bringen sollen, werden erst ein Jahr später stattfinden. Hitler hat die Frauen in sein Programm eingebunden. Für die deutschen Männer mag er der neue Reichskanzler sein. Die deutschen Frauen sehen in ihm den Hoffnungsträger, den Übermenschen.
    Sobald er die Macht errungen hat, halten die Briefe, die seine Privatkanzlei überschwemmen, sich an kein Protokoll mehr. Tag für Tag trudeln Glückwünsche, gut gemeinte Ratschläge und leidenschaftliche Liebeserklärungen ein. Männer aus allen Schichten schreiben ihrem „Führer“, die weiblichen Absender jedoch schlagen einen sehr viel vertraulicheren Ton an. Sie richten sich nicht an den Staatschef oder an den Ideologen, sondern an Hitler, den Mann, der ihnen Gefühl zeigen soll.
     
    An meinen geliebten Führer!
    Jeden Tag muss ich an Sie denken, jede Stunde und jede Minute. Am liebsten führe ich nach Berlin und käme zu Ihnen! Darf ich das? Was auch kommen mag, mein Leben gehört Ihnen. Ich möchte gerne wissen, was das alles bedeutet. Arbeiten kann ich nicht mehr, weil ich immer an Sie denke. Ich kann keinen anderen Menschen mehr lieben als Sie. Hoffentlich geht mein Wunsch in Erfüllung. Schreiben Sie bitte, ob ich kommen darf. [2]
     
    Man kann sich den Diktator mit dem gestutzten Schnurrbärtchen schlecht als Sexidol vorstellen. Besser gesagt hat dieser Gedanke etwas Verstörendes. Und doch erhielt Adolf Hitler mehr Fanbriefe als Mick Jagger und die Beatles zusammen [3] . Die Zahl der Briefe, die in der Privatkanzlei eintrafen, zeichnet Hitlers Beliebtheitskurve nach: Finden 1925 die Briefe noch in einem Aktenordner Platz, so erhält der Diktator von Januar bis April 1933 mehr als 3000 Briefe. Ende des Jahres sind es 5000. 1934 wächst die Zahl auf mindestens 12.000 Briefe an, 1941 sind es gut 10.000. In der Reichskanzlei trifft man entsprechende Maßnahmen. Unter der extra geschaffenen „Ablage A“ werden diese „Frauenbriefe“ aufbewahrt. In keinem der Tausende von Briefen, die dort eingehen, liest man ein Wort der Kritik oder einen Vorwurf. Aus jeder Zeile spricht nur Bewunderung.
    Die Offiziere, die mit der Bearbeitung von Hitlers Post befasst sind, haben klare Anweisungen: Briefe von Verliebten und Schwärmerinnen werden nicht beantwortet. Außer die Verehrerin kündigt an, nach Berlin kommen zu wollen, um den geliebten „Führer“ persönlich zu umarmen. Dann ergeht eine Meldung des Leiters der Privatkanzlei an die Polizeibehörden, die auf das Polit-Groupie angesetzt werden. Ein vorgefertigtes Schreiben setzt allen Hoffnungen ein abruptes Ende:
     
    Sehr geehrter Herr! Sehr geehrte Frau!
    Ich bestätige Ihnen den Eingang Ihres an den Führer gerichteten Schreibens und teile Ihnen mit, dass der Führer sich grundsätzlich nicht in private Angelegenheiten mischt.

Mit deutschem Gruß, Albert Bormann [4]
     
    Die Briefe enthemmter Frauen, die zu Hunderten in der Privatkanzlei eintreffen, irritieren den Nazi-Heros. Diese Liebeserklärungen unbekannter Frauen lähmen ihn geradezu. Doch als Polit-Stratege weiß er um die Bedeutung dieser Art von Korrespondenz mit dem Volk, in der er eine Art „Stimmungsbarometer“ der öffentlichen Meinung sieht. Und so lässt er sich regelmäßig über den Inhalt seiner Verehrerbriefe informieren. Rudolf Heß, der die Korrespondenz bis 1931 bearbeitet, und sein Nachfolger Albert Bormann sind damit beauftragt, Zusammenfassungen zu erstellen, um ihm die Durchsicht zu erleichtern.
    Die Privatkorrespondenz Hitlers, die in Moskauer Archiven aufbewahrt wird, gibt Einblick in das Seelenleben der vom Nationalsozialismus Verführten und enthüllt einen bislang unbekannten Aspekt totalitärer Systeme: dass deren Macht nicht zuletzt auf den Verführungskünsten des Diktators beruht. Das Band, das Hitler und sein Volk eint, ist auch ein Band der Leidenschaft. So schockierend man das auch finden mag, letztlich ist es nur ein
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