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0687 - Sie sind wieder da

0687 - Sie sind wieder da

Titel: 0687 - Sie sind wieder da
Autoren: Jason Dark
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Sekunden vergingen. Der Wächter hätte eigentlich verschwinden müssen, aber er blieb in der Zelle.
    Den Grund kannte er selbst nicht. Da war eine Kraft, die ihn davon abhielt, den kahlen Raum zu verlassen.
    Überhaupt jagte ihm dieser Gefangene Furcht ein. Randall, der Justizangestellte, wusste nicht genau, was dieser Mann alles auf dem Kerbholz hatte, aber er gehörte zu den Schwerverbrechern. Es ging da um eine sehr spezielle Tat. Um Mord und Tod und - so jedenfalls flüsterte man sich zu - um lebende Tote.
    Was Stepanic, der Arzt, genau damit zu tun hatte, war Randall nicht bekannt, aber dieser Mann war eben nicht so wie die übrigen Gefangenen. Da verwettete er seinen Hut.
    Dann fing er an zu singen. Zuerst summte er nur vor sich hin. Kinderlieder ohne Text, nur eben das Summen mit geschlossenen Lippen. Später sang er die ersten Worte.
    Kinderreime, die auch Randall noch kannte. Irgendwann hatte er sie einmal gehört, sie auch selbst gesungen, aber nicht als Erwachsener.
    Ohne es eigentlich zu wollen, lauschte er dem Singsang. Stepanic hatte sogar die Stimme erhoben und ihr einen anderen Klang gegeben. Viel höher, fast wie bei einem Kind.
    »Und ich wandere über die Wiese mit den Blümelein, ich werde gleich bei Muttern sein und bring ihr ein Geschenk mit heim, die wunderbaren Blümelein…«
    Randall bekam eine Gänsehaut. Er erlebte die Furcht, die ihn wie ein Nagel traf. Sie bohrte sich tief in sein Fleisch, als wollte sie seine Seele zerstören. So nett und lächerlich die Reime für einen Erwachsenen auch klangen, Randall hatte mehr das Gefühl, dass sie zu einem schrecklichen Text geworden waren. Dass sie sich aus Hohn und Spott zusammensetzten, um ihn hart zu treffen. So harmlos der Text auch klang, da steckte mehr dahinter. Da war etwas, das Randall nicht begriff, das tief zwischen den Zeilen lauerte. Etwas Unheimliches, Böses, nichts Hörbares, aber etwas, das den Text überlagerte.
    Was nur…?
    Der Gefangene sang noch weiter. Seinen Kopf hatte er zur Seite gedreht, weil er Randall dabei anschauen wollte. Und aus seinem Gesicht war eine böse Fratze geworden, eine Larve, die etwas widerspiegelte, was sich in seinem Innern befand.
    Die Hölle!
    Ja, dieser Mensch war nicht normal. Er besaß Höllenkräfte. Sie lauerten in seinem Innern, sie wühlten ihn auf, sodass sie sich auf seinem Gesicht zeigten. Höllenkräfte. Grausam und gemein.
    Randall ging zurück. Diese Fratze machte ihm Angst. Die Augen lagen darin wie Kugeln, die jemand blank geputzt hatte.
    »Hör auf zu singen, verdammt!«
    Stepanic hörte tatsächlich für einen Moment auf. Aber er begann wieder. Und diesmal mit einem anderen Text, den Randall zuerst nicht glauben wollte.
    Der Mann sang von den Toten!
    »Sie werden bald kommen und mich befreien. Sie sind bereit, die Gräber zu verlassen, um sich in der Welt der Menschen umzusehen. Ja, sie sind schon unterwegs. Sie sind wieder da…«
    Randall war wie vor den Kopf gestoßen. Er hörte die Worte zwar, folgen konnte er ihnen nicht, noch nicht. Je mehr Stepanic den Text wiederholte, umso klarer wurde ihm, dass doch einiges dahinter steckte, dass dieser Text längst nicht so harmlos war, auch wenn der andere ihn sang. Es war eine Drohung, was der andere da aussprach. Eine finstere, grausame Drohung, an Bösartigkeit kaum zu übertrumpfen, ein finsteres Versprechen von Grauen und Mord.
    Kalter Horror, hochgepeitschte Angst, aufgewühlte Gefühle bei dem Zuhörer.
    Er richtete sich auf. Das Gesicht mit einem ungewöhnlichen Glanz belegt, einen Blick in den Augen, der in weite Ferne reichte, um dort etwas zu erkennen, was nur er sehen konnte. Ein furchtbares Bild musste das sein, das Grauen schlechthin, wie das Jüngste Gericht, wo die Toten auch die Gräber verließen, um sich an den Lebenden zu rächen. Ein Versprechen, wie es auch der Teufel hätte geben können.
    Stepanic saß jetzt auf der Pritsche. Sehr langsam drehte er sich um, weil er Randall anschauen wollte.
    Der wich unwillkürlich zurück.
    Der Arzt hob eine Hand. Er breitete die Finger aus, dann krümmte er sie, sodass die Hand eine Klaue bildete. Diese Bewegung, untermalt von den gesungenen Versprechen, jagte eine Gänsehaut über den Rücken des Wächters. Dr. Stepanic kam ihm mit seinen dunklen Haaren vor wie ein Abziehbild des Teufels. Fehlten nur noch die beiden Hörner und der verdammte Klumpfuß.
    »Hör auf!«, keuchte Randall. »Hör auf, verdammt noch mal! Was soll dieser Irrsinn?«
    Stepanic ließ sich nicht
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