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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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alles ist nur ein Grund für die heftige Bewegung in der Szene. Der andere liegt in den Clubs selbst. Seit ihrer Expansion und dem damit einhergehenden sogenannten Rockerkrieg befinden sich die Gangs in einem radikalen Veränderungsprozess.
    Hells Angels und Bandidos haben in den vergangenen Jahren Hunderte junger Männer angezogen, die mit dem Lebensgefühl der Altrocker nichts mehr verbindet. Sie hören Hip-Hop statt Rock ’n’ Roll, sie rasieren sich die Köpfe, Gesichter und Achseln, statt lange Haare im Wind wehen zu lassen, sie gehen auf die Sonnenbank und tragen Brillis im Ohr, keine Eisernen Kreuze mehr. Man könnte auch sagen, sie wollen lieber wie 50 Cent aussehen als so wie Dennis Hopper in »Easy Rider«.
    Ältere Rocker bezeichnen die Neuen daher manchmal wenig charmant als »das Gesocks«. In den Clubs mischen mittlerweile ehemalige Hooligans, Neonazis und Neuköllner Kleinkriminelle mit – nicht immer als reguläre Rocker, oftmals nur in Schlägertrupps, »Supporter«, also Unterstützer, genannt. Viele dieser jungen Männer, meist mit einem Faible für Kameradschaft, Kampf- und Kraftsport, haben einen Migrationshintergrund und eine dicke Strafakte bei der Polizei. In Berlin etwa befehligt der Ex-Boxer Kadir Padir einen Trupp Hells Angels, in dem kaum einer der Männer einen Motorradführerschein besitzt, geschweige denn eine Harley-Davidson, dafür aber den Respekt der Straße. Und das scheint heute in der OMCG -Welt einzig entscheidend zu sein.
    Viele Jung-Rocker sind als Jugendliche sogenannte Intensivtäter gewesen und in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Straftaten zum Alltag gehören. Der Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch schrieb bereits vor Jahren über den Nachwuchs örtlicher Clans: »Sie haben eine Selbstbedienungsmentalität entwickelt, die darauf abzielt, sich zu nehmen, was immer sie wollen und wann und sooft sie es wollen.« Damit seien die jungen Männer ein »ideales Reservoir für die Fußtruppen des Organisierten Verbrechens«.
    In Bremen etwa gründet im August 2010 der Kurde Mustafa B. gemeinsam mit knapp zwei Dutzend Mitgliedern seiner Sippe einen Ableger des internationalen Motorradclubs Mongols. Es ist das erste Mal, dass in Deutschland Angehörige eines muslimischen Zuwanderer-Clans, der bereits der Schweren Kriminalität zugerechnet wird, in die Bikerszene drängen. Inzwischen gibt es die Mongols und ähnliche Gruppierungen in vielen Städten.
    Auch die großen Gangs, die vor Jahren noch eine strikt nationale Personalpolitik verfolgten, haben ihr Rekrutierungsschema längst geändert. Gesucht werden nicht mehr unangepasste Asphalt-Cowboys teutonischer Provenienz, sondern schlagkräftige Typen mit krimineller Vorerfahrung. Alles andere ist dann Verhandlungssache.
    So sagt der Berliner Streetworker Taner Avci, 39, im Dezember 2011 der »Zeit« über sogenannte Bildungsverlierer: »Klappt es dann nicht mit einer Ausbildung, bleibt meist nur noch der Traum vom schnellen Geld. Nicht selten suchen sich Jugendliche dann auch illegale Wege, um an Geld zu kommen. Besonders erschreckend ist in Berlin der Zulauf zu den Hells Angels und den Bandidos, zwei Banden, die es schaffen, Jugendlichen einen fragwürdigen Halt zu geben. Für jemanden, der sein Leben lang in einer Hartz-IV-Familie verbracht hat, ist es nicht leicht, aus diesem Automatismus auszusteigen.«
    Dass sich immer mehr Männer, wie etwa der Duisburger Free Fighter Timur A., der als Hells Angel im Oktober 2009 den Bandido »Eschli« Elten töten wird, von ihren Straßengangs ab- und den Rockerbanden zuwenden, hat nicht nur mit deren Stärke, sondern auch etwas mit der gesteigerten Medienpräsenz dieser Clubs zu tun. Gefragt, warum seine Bande sich den örtlichen Höllenengeln als Schlägertruppe angedient habe, antwortet im Januar 2012 ein junger Deutsch-Marokkaner aus Köln: »Ey, Mann, die sind berühmt. Guck mal YouTube!«
    Doch mit diesen neuen Leuten in ihren Reihen beginnen die Motorradclubs sich zu verändern. Die OMCG -Szene steht in Deutschland vor einem grundlegenden Wandel, vor dem erfahrene Kriminalisten warnen. Denn während viele Altrocker über ihre Clubs, denen sie sich verpflichtet fühlen und an denen ihnen liegt, noch einigermaßen beherrschbar sind, scheinen die jungen Wilden keinerlei Loyalität mehr zu kennen. Wenn es gerade opportun erscheint, streifen sie die eine Kutte ab und ziehen die nächste an. Zudem sind sie häufig hochaggressiv und sorgen mitunter für heftige Konflikte, in die sie
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