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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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    1 Die Welt schien noch völlig in Ordnung zu sein, als Benjamin Koch, genannt Benjo, die Fähre nach Borkum bestieg. Ostfriesland zeigte sich von seiner besten Seite. Am blauen Julihimmel wirbelte der Westwind ein paar Schäfchenwolken zu einem grinsenden Gesicht zusammen.
    Die Schiffssicherheit wurde nach strengen Regeln kontrolliert und dokumentiert und die Mitarbeiter an Bord der Ostfriesland III waren bestes nach internationalen Standards geschultes Personal. Jeder von ihnen war ausgebildet in Advancend Fire Fighting, Rescue Boat, Basic Safety, Crowd and Crisis und natürlich in Erster Hilfe.
    Alle verfügten über Seetauglichkeitsbescheinigungen. Die Nautiker unter ihnen zusätzlich über Funkzeugnisse, Radar-Simulator-Lehrgänge und SAR-Grundlagenseminare, aber auf das, was ihnen jetzt bevorstand, hatte sie niemand wirklich vorbereiten können.
    Benjo stieg zum Oberdeck hinauf. Die Röcke der drei Eis schleckenden Touristinnen, die vor ihm die Treppen emporstöckelten, waren kurz und der Wind meinte es gut mit Benjos Blicken. Er hatte fast tausend Euro in der Tasche und das Doppelzimmer auf Borkum war bereits bezahlt. Chris wartete dort seit zwei Tagen auf ihn. Sie hatte ihm gerade eine SMS geschickt:
    Ich liebe Dich nicht einfach, nein, ich hin echt heiß auf Dich, Benjo.
    Dann kam ein Foto hinterher. Chris mit Kussmund. Darunter: Knutsch!
    Obwohl die drei jungen Frauen sich an Deck gemeinsam auf eine Bank setzten und gleichzeitig die Beine übereinanderschlugen, als hätte ein Regisseur das lange vorher mit ihnen geübt, schloss Benjamin Koch kurz die Augen und dachte an Chris. Sie hatten jetzt vierzehn gemeinsame Tage! Eine Ewigkeit!
    Sie wollten einen Liebesurlaub machen.
    Liebesurlaub, welch ein Wort! Sie hatte es erfunden. Sie schrieb Gedichte und die meisten schickte sie ihm. Er erwartete die glücklichsten vierzehn Tage seines Lebens. Er ahnte nicht, dass die nächsten Stunden und Tage sein ganzes Leben verändern würden und das vieler anderer Menschen ebenfalls. Eine ganze Gesellschaft war kurz davor, auf die Probe gestellt zu werden. Das, was sich unaufhaltsam näherte, würde das Schlimmste, aber auch das Beste in den Menschen bloßlegen.

 
    2 Während die Ostfriesland III mit zweimal 1.300 PS und 256 Passagieren an Bord auf Borkum zusteuerte, wurde auf dem Festland, in Emden, im Susemihl-Krankenhaus, eine junge Frau eingeliefert. Sie hatte extrem hohes Fieber und halluzinierte.
    Was zunächst nach einer Überdosis irgendeiner chemischen Droge aussah, entpuppte sich dank der sauberen Diagnose sehr schnell als das, was schon kurze Zeit später nur noch mit dem Satz »Der Horror, der das ganze Land im Griff hat!« bezeichnet wurde.

 
    3 Lars Kleinschnittger hatte von Strandpartys auf Borkum gehört, bei denen es das geben sollte, wofür es sich seiner Meinung nach allein zu leben lohnte: Sex und Drogen bis zum Abwinken. Von wegen Rentnerinsel! In der Szene galt Borkum als Geheimtipp. All die Schulmädchen, die ihre Eltern in den Urlaub begleiten mussten und es leid waren, brav zu sein, versammelten sich nachts am Nordstrand. Sie waren, so hatte er sich sagen lassen, wild entschlossen, sich zu amüsieren, und nicht so abgezockt wie die Gymnasiastinnen in Köln.
    Er hatte fünfzig Gramm selbst angebauten Shit in der Tasche, obwohl er sicher war, auf Borkum genug Haschisch kaufen zu können. Schließlich war Holland nah und die vielen Touristen aus den Niederlanden ließen sich in Deutschland nicht nehmen, was bei ihnen zu Hause legal war.
    Lars Kleinschnittger stand auf dem Oberdeck der Fähre und hatte schon ein Auge auf die jungen Frauen geworfen. Die rothaarige mit den langen Beinen gefiel ihm besonders. Sie hieß Lukka, so viel hatte er schon herausbekommen. Er wollte auf Borkum ein paar Jungfrauen knacken. Sie sah aber nicht wie eine aus. Wobei er sich jetzt grinsend fragte, wie man eigentlich eine Jungfrau erkannte. Nur an ihrem Verhalten? Er bildete sich ein, einen sechsten Sinn dafür zu haben.
    Wenn ihm jemand gesagt hätte, dass die schönste Zeit seines Lebens bereits hinter ihm lag, wäre Lars Kleinschnittger vermutlich in homerisches Gelächter ausgebrochen, denn er glaubte genau an das Gegenteil.
    Benjo tippte in sein Nokia: Ich komme, meine Süße! Ich halte es kaum noch aus.
    Er schloss die Augen und dachte an Chris. Seine Chris.
    Margit Rose, die in ihren besten Zeiten von ihren Freundinnen Blümchen gerufen worden war, hatte schon seit Langem keine echten Freunde mehr.
    Sie
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