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0759 - Werwolf-Wahnsinn

0759 - Werwolf-Wahnsinn

Titel: 0759 - Werwolf-Wahnsinn
Autoren: Jason Dark
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In der Halle gab es kein elektrisches Licht. Aber er konnte sich auf die Fenster verlassen, die rechts von ihm zwei Ausschnitte in der Wand zeigten.
    Durch sie schien die Sonne mit einer derartigen Kraft, als wollte sie den Schrecken noch einmal genau nachzeichnen.
    Eigentlich war es ein normales Bild. Kein Tropfen Blut war zu sehen, keine zerstörten Körper, keine Schädel, die durch Kugeleinschläge zerrissen waren.
    Aber wegen seiner Normalität wirkte es ebenso schaurig, und auch Wladimir Golenkow bekam das kalte Frösteln.
    Die Gartenwerkzeuge, die an den Wänden lehnten, übersah er. Sein Interesse galt einzig und allein dem anderen Inhalt, der den Blicken des Betrachters überhaupt nicht verborgen bleiben konnte.
    Es waren vier Särge!
    Geschlossene Särge, doch er wußte auch, daß sie nicht leer waren und daß man die Deckel noch nicht festgeschraubt hatte. Den Grund kannte er, als er sich noch einmal umdrehte, gegen die Innentür schaute und tief Luft holte, bevor er mit der »Arbeit« begann.
    Seine Aufgabe war schlimm, sie machte ihm keinen Spaß, aber einer mußte es eben tun.
    Er wandte sich wieder um. Unter seinen Sohlen kratzte der Dreck über einen rauhen Boden.
    Dann schaute er sich die Särge genauer an. Sie waren nicht teuer, man hatte sie aus billigen Fichtenhölzern zusammengenagelt, aber darauf kam es nicht an.
    Das Licht der Sonne fiel nur auf die Deckel der beiden großen Särge und belegte sie mit hellen Streifen, die wie dünne Fetzen eines Leichentuchs wirkten.
    Die anderen zwei brauchten kein Licht. Sie waren sowieso schon hell genug.
    Man hatte sie weiß lackiert, sie waren auch kleiner, denn Kinder brauchten keine großen Totenkisten.
    Als er daran dachte, verstärkte sich seine Gänsehaut, und hinter den Augäpfeln spürte er einen bestimmten Druck. Wer waren die Bestien, die nicht einmal vor Kindern Halt machten?
    Er schüttelte sich, als wollte er den schrecklichen Gedanken wegwischen, aber das schaffte der einsame Mann nicht, der dem Ruf eines Bekannten gefolgt war und sich in die ostpreußische Einsamkeit begeben hatte, um dem Grauen auf der Spur zu bleiben.
    Wladimir Golenkow war nicht nur erschienen, um sich die Mitglieder der Familie anzuschauen, die auf so schreckliche Weise einfach vernichtet worden war. Er hatte noch eine andere Aufgabe zu erfüllen, und darum konnte ihn keiner beneiden.
    Es spielte keine Rolle, welchen der Särge er sich zuerst vornahm. Doch er gehorchte seinem Gefühl und nahm sich den ganz rechts stehenden Fichtensarg vor, in dem eine erwachsene Person lag.
    Wie man ihm versprochen hatte, war der Deckel nicht geschlossen. Er bückte sich und hob ihn nur ein wenig an. Dann schob er ihn in Richtung Fußende zurück, bis der Kopf und ein Großteil des Oberkörpers freilagen.
    Der Mann hatte schwarzes Brusthaar. In ihm klebte noch Blut aus seinen Gesichtswunden. Mehr wollte Wladimir nicht sehen, es reichte ihm, und er kümmerte sich um den zweiten Sarg.
    In ihm lag die Gattin des Mannes.
    Auch sie war tot und auf die gleiche schreckliche Art und Weise »umgekommen«.
    Bei ihr war der Hals zerstört worden. Ein Biß hatte sie im Nacken erwischt.
    Bevor er sich den dritten Sarg vornahm, richtete sich der Russe wieder auf und preßte seine Finger gegen die Augen. Hinter der Stirn hörte er das Tuckern. Sein Magen produzierte zuviel Säure, Krämpfe peinigten ihn.
    »Ich habe einen verdammten Job«, flüsterte er und dachte für einen Moment daran, einfach zu verschwinden. Das konnte er auch nicht. Er hätte dann einen Bekannten im Stich lassen müssen. Die Menschen wären von ihm schwer enttäuscht worden, und so blieb er in der Leichenhalle und machte sich daran, den dritten Sarg zu öffnen.
    Er war kleiner und hell angestrichen. Die Farbe Weiß sollte auf die Unschuld eines Kindes hinweisen, aber die Toten hier waren alle unschuldig, und Wladimir zerbiß wieder einen Fluch.
    Das Gesicht eines Jungen schaute ihn an. Weit standen die Augen offen. Ein staunender Ausdruck lag noch darin, und wieder preßte Wladimir die Lippen zusammen. Scharf strömte sein Atem aus der Nase. Er kippte den Deckel zur Seite, so daß die gesamte Gestalt des Kindes vor ihm lag. Jetzt sah er auch die Wunden.
    Hastig schloß er wieder den Sarg.
    Nur noch einer…
    Golenkow stöhnte. Mit dem Handrücken wischte er den dicken Schweißfilm von der Stirn. Er empfand die Luft in dem Leichenhaus plötzlich als zu warm, schaute hoch gegen die Decke, wo sich ein viereckiges Loch abzeichnete,
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