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0759 - Werwolf-Wahnsinn

0759 - Werwolf-Wahnsinn

Titel: 0759 - Werwolf-Wahnsinn
Autoren: Jason Dark
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der Beginn eines Kamins, den allerdings ein Winkel knickte, so daß das helle Tageslicht hineinfallen konnte, dafür aber ein warmer Luftstrom, der über Wladimirs Nacken strich.
    Ob die Leichen schon rochen, nahm er nicht wahr. Der alte Kerzengeruch überlagerte alles.
    Der letzte Sarg.
    Wieder die gleiche Arbeit, und wieder würde er sich den Beweis ansehen müssen, bevor er etwas dagegen unternahm.
    Der letzte Deckel klemmte etwas, und Wladimir mußte schon mehr Kraft aufwenden, um ihn von seinem Unterteil lösen zu können. Als er es endlich geschafft hatte, lag das gesamte Sargunterteil in seiner vollen Länge vor ihm.
    Und er sah das Mädchen.
    Es war nicht älter als zehn Jahre, aber selbst mit diesem Kind hatte die Bestie kein Erbarmen gekannt. Wie durch ein Wunder war das kleine Gesicht verschont geblieben. Für Wladimir Golenkow sah es aus wie das eines Engels.
    Er schüttelte sich, dann rieb er seine Augen, fluchte leise und verwünschte sich dabei selbst. Es gab kein Zurück mehr für ihn. Er hatte einmal zugestimmt und würde in den sauren Apfel beißen müssen, daran führte kein Weg vorbei.
    Fast behutsam legte er den Deckel wieder auf den Sarg. Allerdings so, daß die Hälfte des starren Oberkörpers für ihn noch sichtbar blieb. Er spürte wieder den Druck der Tränen hinter seinen Augen, trat zurück und wandte sich nach rechts, um vor dem Sarg des Vaters seine Schritte zu stoppen.
    Dann zog er eine Waffe.
    In diesem Augenblick hörte er das dünne Läuten einer Glocke. Es konnte Zufall sein, aber das Läuten erzeugte bei ihm einen Schauer. Es war für ihn wie eine schaurige Begleitmusik.
    Wladimir Golenkow wartete das Ende des Läutens nicht ab. Er beugte sich vor und streckte auch den rechten Arm aus. Dann fand die Mündung der Waffe Widerstand auf der Stirn des Toten.
    Genau zwischen den Augen…
    Wladimir Golenkow sprach einige Worte, die sich anhörten wie ein Gebet.
    Dann drückte er ab…
    ***
    Der dunkelhaarige Mann mit dem dünnen Bart hieß Oleg Blochin. Er saß auf einem relativ hohen Stein. Der Stein war mit dem staubigen Erdboden fest »verwurzelt«, und Blochin hatte sich so gedreht, daß er von seiner Position aus in zwei Richtungen blicken konnte.
    Einmal nach links, wo das riesige Gelände leicht abfiel und sich die ersten Häuser des Ortes mit der Rückseite des alten Bahnhofs abzeichneten, von dem nur noch wenige Züge abfuhren.
    Dahinter lagen die Gehöfte und duckten sich gegen die Tücken der Witterung. Im Sommer gegen die Hitze, im Winter gegen die oftmals klirrende Kälte.
    Jenseits des Ortes und auch über die Straße hinweg, begannen die Uferregionen der beiden Seen, die sehr dicht bewachsen waren, denn ein Gürtel aus Schilf und Sträuchern machte ein Durchkommen für einen Ungeübten so gut wie unmöglich.
    Es gab einen großen und einen kleinen See. Auf dem großen See, ungefähr in dessen Mitte, existierte eine Insel mit einem Bauwerk, das früher einmal einem Grafen gehört hatte, jetzt aber ziemlich verfallen war und von Menschen kaum mehr besucht wurde, weil die düsteren Mauern und die schrecklichen Geschichten der Vergangenheit sie davon abhielten.
    Blochin drehte sich in die andere Richtung. Er seufzte dabei auf, als sein Blick auf die Tür der Leichenhalle fiel, durch die sein Bekannter und Freund Wladimir Golenkow verschwunden war. Er beneidete den Mann nicht und wunderte sich noch jetzt darüber, daß er seiner Bitte überhaupt gefolgt war.
    Man konnte sich eben auf ihn verlassen. Das wußte Oleg von früher, von alten KGB-Zeiten her.
    Den Geheimdienst gab es offiziell nicht mehr, ebensowenig wie die UdSSR, aber die alten Verbindungen hatte man nicht kappen können. Die Deutschen hatten dafür den Ausdruck Seilschaften erfunden. Blochin fand, daß er paßte. Es gab gute, und es gab schlechte Seilschaften. Seine Verbindungen, auch gerade zu Wladimir Golenkow, zählte er zu den guten.
    Er rauchte eine filterlose Zigarette. Das Stäbchen hielt er zwischen Daumen und Zeigefinger und hatte es in seiner Aufregung so zusammengedrückt, daß der Tabak mitsamt dem Papier nur mehr einen schmalen Streifen bildete.
    Oleg Blochin hatte nicht auf die Uhr geschaut und wußte demnach auch nicht, wie lange sich Wladimir bereits im Leichenhaus aufhielt. Er würde für seine Aufgabe keine Stunde brauchen, das stand fest.
    Im Ort läutete die Kirchenglocke. Es war die kleine, die bei Beerdigungen anschlug und mit ihrem dünnen Bimmeln die Stille zerstörte. Der Klang war blechern
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