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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Geburtstage den Gugelhupf für ihn. Da er bei der Einnahme des antiviralen Mittels mit Magen-Darm-Problemen rechnete, biss er zwei große Stücke ab und kaute seinen Lieblingskuchen, ohne ihn wirklich zu schmecken.
    Sein Magen reagierte immer nervös und empfindlich auf fast jedes Medikament. Er kannte Studien aus England, von der Health Protection Agency, bei denen 248 Schulkinder getestet worden waren, denen man Tamiflu gegeben hatte. Vierzig Prozent klagten über Magen-Darm-Probleme. Bei vielen traten »neuropsychiatrische Nebeneffekte« auf, was ein sehr schönes Wort war für Albträume, Angstzustände und Bewusstseinsstörungen.
    Maiwald wusste, dass die Food and Drugs Administration in den USA Todesfälle nach der Einnahme untersucht hatte. Ein siebzehnjähriger junger Mann war vor einen Lkw gesprungen und ein vierzehnjähriger Schüler vom Balkon.
    Er nahm Tamiflu trotzdem. Alle Mittel hatten Nebenwirkungen. Alles andere war eine Lüge der Pharmaindustrie. Etwas Besseres als Tamiflu war nicht auf dem Markt und er musste fit bleiben in den nächsten Tagen und Stunden, wenn der Run beginnen würde.
    Der hauseigene Notfallplan trat sofort in Kraft. Die Quarantäneräume wurden auf einen größeren Ansturm vorbereitet. Maiwald kannte das Infektionsschutzgesetz praktisch auswendig. Er hatte sich seit Langem mit der Frage beschäftigt, wie die Medizin mit solch einem Grippeausbruch fertigwerden könnte. Er wusste viel darüber und war sich im Klaren, dass die Gesellschaft fast wehrlos vor dem stand, was jetzt auf sie zukam … Da wurde kostspielig Militär ausgebildet, eine unglaublich große Riege von Wissenschaftlern der ganzen Welt hatte sich damit beschäftigt, immer neue Waffensysteme zu entwickeln, noch schnellere Flugzeuge, die sogar fürs feindliche Radar unsichtbar waren. Intelligente Bomben. Unbemannte Drohnen, die per Fernsteuerung in ihr Ziel geschickt wurden …
    Ach, diese unglaubliche Vergeudung von wissenschaftlichem Potenzial hatte ihn schon immer traurig gemacht, denn der eigentliche Feind, der die Menschheit bedrohte, war nicht mit Flugzeugen und Radar zu bekämpfen. Er war winzig klein, fürs menschliche Auge unsichtbar. Er hatte keine Strategie und keine Moral. Er kannte keine Ländergrenzen und interessierte sich nicht für Regierungsformen. Nationalitäten und Hautfarben waren ihm egal. Der eigentliche Feind war für das bloße Auge unsichtbar und hatte nicht einmal einen eigenen Stoffwechsel. Der eigentliche Feind waren die Viren. Sie mussten sich als Parasiten in den Zellen anderer Lebewesen einnisten, das machte ihre Bekämpfung schwer. Es gab Viren, die Bakterien befielen. Andere nisteten sich in Pilzen und Algen ein. Eine Gruppe griff Pflanzen an, eine andere Tiere und wieder eine andere Spezies Menschen. Aber meist blieben sie auf ihre Gruppen begrenzt und sprangen nicht auf andere über.
    Inzwischen aber hatten sich auch Viren entwickelt, die Pflanzen und Tiere attackierten. Alle Wissenschaftler wussten, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann die ersten Viren so viel gelernt hatten, dass sie sich von Tieren auf den Menschen übertragen konnten.
    Selbst das Letztere war in den Griff zu kriegen. Man konnte betroffene Tiere keulen und somit ganze Bestände vorsorglich vernichten. Wenn aber nun so ein aggressives Virus von Mensch zu Mensch übertragen wurde, dann zogen solche Methoden nicht mehr. Die menschlichen Bestände ließen sich nicht so einfach keulen. Selbst eine Isolierung von Betroffenen war nicht ganz einfach. Wer wollte eine Stadt wie zum Beispiel Frankfurt abriegeln, damit das Virus nicht auf Darmstadt und Wiesbaden übersprang?
    Mit genau solchen Fragen hatte Maiwald sich immer und immer wieder beschäftigt. Die Pläne der WHO fand er, freundlich ausgedrückt, »niedlich« angesichts der Bedrohung. Es sollten örtliche Krisenstäbe gegründet werden, um die Ausbreitung lokal in den Griff zu bekommen. Da hat man eine Welt gesundheitsorganisation, aber wenn es knallt, dann soll alles vor Ort entschieden werden.
    Er war Mitglied in diesem Krisenstab für die Region und er wusste, das Ganze hatte vor allen Dingen nur den einen Sinn: Die Damen und Herren der Bundespolitik wollten sich aus der Verantwortung stehlen und die Drecksarbeit nach unten delegieren. Ja, vielleicht war es ungerecht, aber so sah er das. Es gab maximal für zwanzig Prozent der Bevölkerung Medikamente und die Verteilung sollte von den örtlichen Krisenstäben organisiert werden.
    Dr. Maiwald verschluckte
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