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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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hatte knapp zwei Jahre und fünfhundert Flaschen Gin gebraucht, um jede noch so gutmütige Beziehung zu zerstören. Den körperlichen Entzug hatte sie mit Medikamentenunterstützung gut hinter sich gebracht. In zwei Monaten Gruppen- und Einzeltherapie war sie nicht drum herumgekommen, sich die Hölle in sich selbst anzusehen, aber das, was jetzt vor ihr lag, kam ihr ungleich schwieriger vor. Sie musste das Vertrauen ihrer Kinder zurückgewinnen, ihnen wieder eine richtige Mutter werden …
    Sie musste es einfach schaffen …
    Vielleicht – so hoffte sie – wäre Kai, ihr Noch-Ehemann, sogar bereit, die eingereichte Scheidung zurückzuziehen …
    Es gab nur diese eine, einzige Chance und sie durfte sie auf keinen Fall vermasseln. Sie war nervös wie nie zuvor in ihrem Leben.
    Ihre albtraumhafte Abiturprüfung war nichts dagegen gewesen und die Aufregung vor der ersten Liebesnacht nur ein Witz.
    Eine Woche Borkum war nicht gerade viel Zeit, um zu beweisen, dass sie ihre Krise überwunden hatte und ein besserer Mensch geworden war.
    Am Anfang wollte Kai ihr nicht einmal diese eine Woche zugestehen und er hatte alle Trümpfe in der Hand. Die frustrierten Damen vom Jugendamt fraßen dem jungen Musiklehrer, der seine beiden Kinder allein erzog, aus der Hand.
    Sogar eine Haushaltshilfe hatte er bezahlt bekommen, so eine Art studierter Putzfrau mit Diplom in Sozialarbeit und Psychologie. Familienhilfe nannte sich das. Garantiert hatte er mit der schmalhüftigen Tussi geschlafen. Margit konnte es ihm nicht vorwerfen; sie musste dankbar sein, dass er ihr überhaupt noch eine Chance gab. Er hatte jedes Recht der Welt, sie zu hassen.
    Das Verhalten ihrer Kinder tat ihr besonders weh. Die beiden sahen sie nicht mehr an. Sie schauten bewusst weg und wichen auch ihren Berührungen aus. Dennis hatte fiebrige Augen und drehte den Kopf abrupt zur Seite, als sie jetzt eine Haarsträhne aus seiner Stirn kämmen wollte.
    »Deine Stirn ist ganz heiß, Dennis«, sagte sie. Der Junge brummte nur etwas und sah seinen Vater an. Der antwortete für ihn. »Den Kindern geht es gut.«
    Seit sie wieder bei ihnen war, gaben Dennis und Viola nur knappe, widerwillige Antworten, wenn sie sie etwas fragte. Beide sprachen sie von sich aus nie an. Wenn sie etwas wollten, wendeten sie sich demonstrativ an ihren Vater.
    Was muss ich ihnen in meinem Alkoholnebel angetan haben?, fragte Margit sich. Meine Kinder misstrauen mir zutiefst.
    Sie blickte sich um und entdeckte eine freie Bank, Platz genug für alle vier.
    »Schaut mal«, rief sie betont fröhlich, »das ist ja wie gemacht für uns! Also ich habe jetzt Hunger auf ein richtig großes Eis! Was meint ihr? Das Wetter schreit doch förmlich danach. Wem soll ich eins mitbringen?«
    Dennis und Viola setzten sich auf die Bank und verzogen keine Miene, sie taten unbeteiligt und wippten mit den Beinen gegen die Rucksäcke, die sie vor sich auf den Boden gestellt hatten.
    »Hey, was ist? Ihr guckt, als hätte ich euch kalten Spinat mit Speck angeboten. Wir reden von einer Riesenportion Eis in einer knusprigen Waffel. Guckt euch mal an, was die drei jungen Frauen da schlecken.«
    Da ihre Kinder nicht antworteten, wandte sich Margit Rose an die fröhlichen Girlies. Lukka, Antje und Regula winkten lachend zurück. Die drei hatten gestern das Open-Air-Konzert in Emden besucht und wollten jetzt einen Song von Otto Groote nachsingen.
    »Das ist das beste Himbeereis, das ich seit New York gegessen habe«, rief Antje.
    Dankbar nahm Margit den Satz auf. »Na, seht ihr!«, sagte sie zu ihren Kindern.
    »Angeberweiber«, zischte Dennis.
    »Wie bitte?«, hakte Margit ungeschickt nach, froh darüber, dass überhaupt mal eine Reaktion kam.
    Dennis sah konsequent an ihr vorbei zu seinem Vater und sagte: »Das sind blöde Angeberweiber! New York?!« Er machte eine Bewegung mit dem Kopf, als sei es völlig absurd, dass jemand, der schon einmal in New York war, sich an Bord der Ostfriesland III befinden konnte.
    Seine jüngere Schwester, die ihren Bruder bewunderte, ahmte die trotzige Kopfdrehung nach, was eigentlich zuckersüß aussah, aber Margit erlebte die Situation – wieder einmal – als eine Niederlage. Um dem noch die Krone aufzusetzen, tönte ihr Noch-Ehemann so laut, dass es selbst die Rentnertruppe hinter den Mädchen mit den langen Beinen und den kurzen Röcken hören musste: »Glaubst du, du kannst dir die Liebe deiner Kinder erkaufen? Ist dir das nicht selber peinlich?«
    Margit federte von der weißen
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