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Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)

Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stephen Leather
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ENDE
    Wie fängt Snoopy doch gleich noch alle seine Bücher an? Es war eine dunkle, stürmische Nacht. Ja, genau. Es war eine dunkle, stürmische Nacht. Gar nicht so übel, dieser Anfang, denn das beschreibt das augenblickliche Wetter da draußen haargenau, den Wind, der heult und pfeift wie ein böses Monster, das mit Gewalt eindringen und mich in Stücke reißen will, den Regen, der an die Fenster klatscht und platscht, ab und zu Blitze, die im Zickzack über die unendliche Schwärze des Mitternachtshimmels zucken.
    Eine weitere Möglichkeit wäre auch nicht schlecht, passt ebenso gut: Es war einmal. So lässt man doch die ganzen Märchen anfangen, oder? Diese Floskel signalisiert klar und deutlich, dass man jetzt etwas frei Erfundenes zu lesen bekommt. Da kann die Geschichte noch so schauerlich sein, man geht davon aus, dass sie nicht stimmt, nicht wahr sein kann. Vielleicht beruhigt es Sie, genau zu wissen, dass sie nie passiert ist, dass ich sie mir eingebildet oder ausgedacht habe. Na schön, dann fange ich mal so an. Es war einmal eine dunkle, stürmische Nacht.
    Wer ich überhaupt bin? Ich heiße Jamie Beaverbrook und werde nächsten Monat sechsundvierzig. Vielleicht. Der Schreibtisch, an dem ich sitze, ist erheblich älter als ich und in besserem Zustand. Es ist so ein großer, militärisch anmutender Klotz mit Messingbeschlägen und Beinen so dick wie Schiffsmasten. Er steht vor einem großen Fenster mit Aussicht auf den Ozean. Den Pazifik. Der Stuhl ist ein sogenannter Kapitänsstuhl, ein dicker gepolsterter Ledersitz mit gebogener Rückenlehne, die mir bis zu den Nieren reicht. Er hat Räder, also kann ich darauf hin und her rollen. Als ich mich entschloss, diesen Raum als Arbeitszimmer zu nutzen, drehte ich den Schreibtisch vom Fenster weg zur Tür, damit mich die Aussicht nicht von der Arbeit ablenkte. Es ist eine tolle Aussicht, eine Aussicht zum Niederknien, sagte mir die Immobilienmaklerin, und sie hatte recht, aber jetzt, wo beide Uhrzeiger steil nach oben weisen, ist nicht viel zu sehen.
    Ein Notebook liegt auf dem Schreibtisch, ein MacBook Pro. Ich bin ja ein großer Apple-Fan, schon immer gewesen. Ganz links steht eine Messinglampe mit Schwanenhals, die einen blassen gelben Schein auf der Tischoberfläche verbreitet. Ab und zu blitzt es weiß hinter mir auf, wirft meinen Schatten auf den Schreibtisch und erhellt das Zimmer mit einem Schein so grell wie das Blitzlicht einer Kamera, und ein paar Sekunden später folgt ein fernes Donnergrollen, das mir den Magen umdreht. Ich wusste mal, wie man die Entfernung eines Gewitters berechnet; das hat etwas mit der Differenz zwischen Licht- und Schallgeschwindigkeit zu tun. Man zählt die Sekunden, die zwischen Blitz und Donner verstreichen und teilt durch irgend-was. Sieben. Oder sechs. Oder so. Es ist lange her, dass ich michdafür interessiert habe, wie weit weg ein Gewitter ist, aber die Sekunden zähle ich immer noch. Aus Gewohnheit vermutlich. Oder Instinkt.
    Eine Whiskeyflasche steht auf dem Schreibtisch, halb voll oder halb leer, das ist Ansichtssache. Laphroaig. Ein Single Malt. Einer der besten. Daneben ein Kristallglas, ebenfalls halb leer. Vor dem Glas steht eine kleine Flasche mit Tabletten, nein, Kapseln, roten und grünen. Die Flasche hat so einen kindersicheren Verschluss; man muss ihn gleichzeitig drücken und drehen. Er ist auch versiegelt. Noch.
    In meinen Händen halte ich ein Kuvert. Ein großes Kuvert. Es ist versiegelt. Ich habe es vor knapp zehn Jahren versiegelt und quer über der Lasche steht meine Unterschrift. Wer sagt, Ärzte haben eine Sauklaue? Ja, ich bin Arzt. Genauer gesagt Psychologe. Kriminalpsychologe. Zum Beweis können Sie meine Diplome und das ganze Zeug an der Wand zu meiner Rechten sehen, neben dem Bücherschrank. Beweise enthält auch dieses Kuvert, oder zumindest enthielt es welche vor zehn Jahren, als ich es versiegelte, signierte und im Schließfach einer Bank am Washington Boulevard deponierte. Heute Nachmittag habe ich es zurückgeholt, eine halbe Stunde bevor die Bank ihre Pforten schloss.
    Es blitzt und fast unmittelbar danach klirren die Fenster und ein ohrenbetäubender Knall lässt mich zusammenfahren; ich verschütte etwas von dem Whiskey, während ich das Glas zum Mund führe. Meine Hände zittern, teils wegen des Sturms, aber hauptsächlich wegen des Kuvertinhalts. Es wird still, unheimlich still, als das Auge des Sturms über das Haus hinwegzieht, mit einem so gewaltigen Druck, dass es mir in den
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