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Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr

Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr

Titel: Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
Autoren: Libba Bray
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    P rolog
    7 . Dezember 1895
    D i es ist , nach bestem Wissen und Gewissen , mein B e richt über die Ereignisse der letzten sechzig Tage und den selts a men Besuch , den ich bekam und dem ich es verdankte , dass ich in dieser kalten englischen Nacht kein Auge zugetan h a be. Ich , Kartik , Bruder Amars , rechtmäßiger Sohn der Rakschana. Aber der Reihe nach. Alles begann in jenen Oktobertagen , nac h dem das Unglück geschehen war.
    Als ich mein Lager im Wald hinter der Spence-Akademie für junge Damen abbrach , wurde es bereits kälter. Durch e i nen Falkenkurier hatte ich Nachricht von den Rakschana e r halten. Meine Anwesenheit in London sei dringend erforde r lich. Ich solle die Hauptstraßen meiden und mich vergewi s sern , dass ich nicht verfolgt werde. Über viele Meilen reiste ich mit den Zigeunern , die mir bereitwillig Unterschlupf in ihren Planwagen g e währten. Den Rest des Weges legte ich allein , zu Fuß zurück , im Schutz der Bäume und unter dem Mantel der Nacht.
    Vom Marsch erschöpft , frierend und mit knurrendem Magen –meine magere Fleischration hatte ich schon vor zwei Tagen aufgegessen –verbrachte ich bereits die zwe i te Nacht u nter freiem Himmel. Das Alleinsein hatte me i ne Sinne verwirrt und der Wald begann , mich mit seinen G e räuschen zum Narren zu halten. In meinem geschwächten Zustand wurde jeder Nachtv o gel zu einem Verfolger , jeder knacksende Zweig unter den H u fen eines Rehkitzes zur Drohung der unerlösten Seelen von Barbaren , die vor Jahrhunderten niedergemetzelt worden w a ren.
    Im Schein des Lagerfeuers las ich einige Abschnitte aus meinem einzigen Buch , einem Exemplar der Odyssee , und hoffte , dabei aus den Abenteuern des Helden Mut zu gewi n nen. Denn mir waren jegliche Tapferkeit und Selbstsicherheit abhandengekommen. Schließlich fiel ich in einen von Trä u men erfüllten Schlaf.
    Es war kein erquickender Schlaf. Ich träumte von Gras , das schwarz war wie abgebrannte Zündhölzer. Ich befand mich an einem Ort aus Schutt und Asche. Die Silhouette eines eins a men Baumes ragte vor einem blutroten Mond auf. Und von ferne drang das Kriegsgeschrei einer riesigen Armee unird i scher Wesen herauf. Durch den Lärm hörte ich die gellende Stimme meines Bruders , Amar , der warnend rief: »Enttäusche mich nicht , Bruder. Vertraue ja nicht …« Doch da änderte sich der Traum. Sie war da und lehnte sich über mich , umflo s sen von ihren rotgoldenen Locken , die sich wie ein Glorie n schein gegen den leuchtenden Himmel abzeichneten.
    »Dein Schicksal ist an meines gebunden« , flüsterte sie. Sie beugte sich näher , ihre Lippen schwebten dicht über meinen. Ich konnte den leisesten Hauch ihrer Wärme spüren. Mit e i nem Schlag wachte ich auf , aber da war nichts außer der glimmenden Asche meines Lagerfeuers und den nächtlichen Geräuschen kleiner Tiere , die eilig Deckung suchten.
    Halb verhungert kam ich in London an , außerdem ha t te ich keine Ahnung , wohin ich mich wenden sollte. Die Rakschana hatten mir nicht mitgeteilt , wo ich sie finden würde. Das taten sie nie. Sie fanden immer mich. Als ich mich auf dem Mark t platz von Covent Garden durch die Menge drängte , machte mich der Duft heißer Aalpastete vor Hunger fast verrückt. Ich war drauf und dran , eine der gefüllten Teigtaschen zu stehlen , als ich ihn entdec k te. Der Mann lehnte , eine Zigarre rauchend , an einer Mauer. Er war nicht besonders auffällig: von mittl e rer Größe und Statur , bekleidet mit dunklem Anzug und Hut , die Morgenzeitung ordentlich zusammengefaltet unter den linken Arm geklemmt. Er trug einen gepfle g ten Schnurrbart und über seine Wange zog sich das bo s hafte Grinsen einer Narbe. Ich wartete darauf , dass er wegschaute , damit ich u n beobachtet nach der Pastete greifen konnte. Mit scheinbarem Interesse sah ich einem Gauklerpaar zu , das auf der Straße seine Kunststücke zeigte. Einer der beiden Männer jonglierte mit Messern , während der andere Zaubertricks vorführte. B e stimmt gab es noch einen dritten Mann , der währenddessen herumschlich und die Leute um ihre Brieftaschen erleic h terte. Ich warf wieder einen Blick zur Mauer und der Mann dort war verschwunden.
    Nun war es Zeit zuzuschlagen. Unter meinem Mantel ve r borgen streckte ich die Hand nach den dampfenden Teigt a schen aus. Die heiße Pastete war kaum in meinen Fingern , als der Mann mit der Narbe neben mir auftauc h te.
    »Der Östliche Stern ist schwer zu finden« , sagte er mit le i ser , aber
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