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Variationen zu Emily

Variationen zu Emily

Titel: Variationen zu Emily
Autoren: Jürgen Saarmann
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musste ich furchtbar über sie lachen.
    Wir vergessen nach einer Weile, wie empfindlich das Gewebe ist, in dem unsere Emotionen wohnen. Ich wollte sie nicht kränken oder mich über sie lustig machen. Ich fühlte mich nur frei und glücklich, und ich fand sie so unglaublich entzückend. Meine Freude suchte sich einen Weg. Ich lac hte laut heraus. Sie hat das missverstanden. Es war tatsächlich der denkbar ungünstigste Augenblick für unerklärliche Heiterkeit. Sie muss angenommen haben, dass ich sie auslachte. Sie ging. Auf der Stelle. Stieß mich mit ihren kleinen Fäusten von sich, rollte sich aus dem Bett und bedeckte sich sofort mit Kleidung. Wollte mich nicht anhören. Beschämt, erniedrigt, wütend.
    Ich fühlte mich wie das arme Ungeheuer von Loch Ness, das unabsichtlich einen harmlosen Fischer erschreckt, der daraufhin leider ertrinkt. Ich rief sie an, entschuldigte mich und versuchte, ihr klarzumachen, dass mein Lachen ein Ausdruck meines Glücks gewesen war. Aber sie wollte nichts mehr von mir wissen. Zu viel Glück macht unvorsichtig. Mit ihr hätte ich auch zwei oder drei lange Leben verbringen wollen. Tja. Scheiße.
    Hallo! Noch eins, bitte. Und du? Hallo. Doch zwei, ja? Ja, zwei, due, dos. Mann, ist die blöd! Egal. Ir gend jemand hat mir erzählt, dass sie sich jetzt mit einer Frau rumtreibt. Wer? Na, Martha natürlich! Ach so, wer das erzählt hat. Keine Ahnung. Weißt du, was derzeit in meinem Kopf vorgeht? Ich kann mir einfach nichts mehr merken. Die eine Frau haut ab, die andere taucht mit einem Korb voll Kindern wieder auf und will Geld von mir. Mehr allerdings nicht. Dann fliege ich aus meinem Job. Meine Zukunftsvision beschränkt sich auf einen Abend im Brit. Und plötzlich lerne ich fliegen. Verkaufe Skulpturen und Bilder wie ein orientalischer Händler auf dem Basar und erhalte außerdem extrem lukrative Aufträge von Kirche und Bäckerhandwerk. Ich weiß im Moment wirklich nichts mehr. Ich bin frei, ungebunden wie ein gasgefüllter Ballon. Die Winde treiben mich. Du dagegen hast immer noch deine unkündbare Stellung im öffentlichen Dienst.
    Wenn du mich fragen würdest, warum zum Teufel du nicht wegen ungenügender Leistung ra usgeschmissen werden kannst, müsste ich mit den Schultern zucken. Warum fliegen untaugliche Redakteure, aber nicht untaugliche Lehrer, Polizisten und Soldaten? He? Wenn ein Gefreiter seinem Vorgesetzten ins Bein schießt, wird er bei gleichem Sold an die Schreibmaschine versetzt. Wenn aber ein Redakteur einen schlechten Artikel abliefert, wird er gefeuert. Verstehst du das? Ich bin zu blöd für diese Welt. Komm, wir trinken noch eins. Ich will nie mehr nüchtern ins Bett gehen. Hallo! Hey, sie hat verstanden.
    Was? Danken? Hör auf, Theiresias. Du bist betrunken. Das ist jetzt mein Job, verstehst du? Ach so, wegen Elena. Vergiss es! Weißt du was? Ich bin ein bisschen neidisch. Als ich sie so sah. Als ich euch so sah. Ehrlich, ich will auch so etwas haben. Warum nicht mal so ein echtes, starkes Weib? Eine Frau, die statt Empfindsamkeit und Zukunftsängsten einen rabiaten Gestaltungswillen beherbergt? Um deren Zerbrechlichkeit man sich nicht ständig Sorgen machen muss. Elena trägt ihren starken Körper wie etwas, das zu ihr gehört. Die Frauen, die ich kannte, machten immer ein Kunstwerk daraus. Das musste permanent poliert, neu geschliffen und vor allem geschont werden, damit es seinen Wert behielt. So viel warmes, duftendes Fleisch, das einen umfängt und einsaugt. Ich weiß gar nicht mehr, wie sich das anfühlt. Entschuldige. Ich komme dir nicht ins Gehege. Ich bin nur ein wenig ausgehungert.
    Wenn das mit Martha nicht passiert wäre. Das war auch kein Zierpüppchen. Sie war in ihrer Weiblichkeit ziemlich zäh. Man vermutet bei manchen Frauen nicht, wie stark sie eigentlich sind. Sie haben so schmale Gelenke, so zierliche Knochen. Man mag sich kaum auf sie stützen, so zerbrechlich erscheinen sie. Und dann hebt so ein zartes Wesen mühelos ein Gewicht, unter dessen Last man selbst keuchen würde. Ich habe das erlebt. Prost. Sag mal, warum spanne ich dem Schreiber eigentlich nicht seine schöne Indianerin aus? Oder dir deine wundervolle Siebenkämpferin? Ich fühle mich wirklich beschissen. Alle haben jemanden. Ja ja, ich weiß. Ist nur der Katzenjammer nach so viel Adrenalin und Alkohol. Ich sollte im Bett liegen und dir nicht mehr auf die Nerven gehen. Und mir auch nicht. Trotzdem werde ich noch eins trinken. Ich habe keine Lust auf mein kaltes Bett. Und ich
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