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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Autoren: Adam Johnson
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BÜRGER , versammelt euch um die Lautsprecher, denn wir haben wichtige Meldungen für euch! In euren Küchen, euren Büros, euren Fabriken – wo ihr auch sein mögt, dreht die Lautstärke auf!
    Zu den Nachrichten: Unser Geliebter Führer Kim Jong Il war gestern vor Ort, um die Ingenieure anzuleiten, die den Schiffahrtskanal des Taedong tiefer ausbaggern. Während der Geliebte Führer eine Ansprache vor den Schwimmbaggerfahrern hielt, flatterten Friedenstauben in der Luft, um unserem verehrten General an diesem heißen Tag ein wenig dringend benötigten Schatten zu spenden. Weiterhin teilt das Ministerium für Öffentliche Sicherheit in Pjöngjang mit, dass jetzt in der Taubenjagdsaison die Drähte und Fangschlingen so auszulegen sind, dass sie unsere jüngsten Genossen nicht gefährden. Und vergesst nicht, Bürger: Das Sternegucken ist nach wie vor untersagt.
    Nachher werden wir den Sieger des monatlichen Rezeptwettbewerbs bekanntgeben. Hunderte von Vorschlägen wurden eingereicht, doch nur ein Rezept kann das beste sein zur Zubereitung von – Kürbisschalensuppe! Doch vorher zu besorgniserregenden Neuigkeiten vom Koreanischen Ostmeer, wo amerikanische Aggressoren Kriegshandlungen provozieren wollen: Die Yankees überfielen und plünderten ein nordkoreanisches Fischerboot. Damit haben sie zum wiederholten Male das koreanische Hoheitsgebiet verletzt, um sich die wertvolle Fracht eines unserer Schiffe widerrechtlich anzueignen. Derweil erheben sie die unglaublichsten Vorwürfe gegen uns, wie Seeräuberei, Entführung und Grausamkeitgegenüber Haifischen. Erstens sind die Amerikaner und ihre Marionetten die Piraten, die das Meer unsicher machen. Und zweitens : Ist nicht erst vor kurzem eine Amerikanerin um die halbe Welt gerudert, um zu unserer großen Nation überzulaufen, dem Arbeiterparadies, dessen Einwohner es an nichts mangelt? Das allein ist wohl Beweis genug, dass die wiederholten Entführungs-Anschuldigungen völlig aus der Luft gegriffen sind.
    Grausamkeit gegenüber Haien? Diesen Vorwurf können wir nicht hinnehmen. Der Hai, bekannt als der Freund der Fischer, pflegt eine uralte Kameradschaft mit dem koreanischen Volk. Boten nicht Haie im Jahr 1952 den Matrosen von Admiral Yi Fische aus ihrem Maul dar, um sie bei der Belagerung des Hafens von Okp'o zu unterstützen? Haben Haie nicht eigens krebsbekämpfende Kräfte entwickelt, um ihren menschlichen Freunden zu einem längeren, gesünderen Leben zu verhelfen? Nimmt nicht unser Held Kommandant Ga, Träger des Goldgurts, vor jedem siegreichen Taekwondo-Kampf eine Schale stärkender Haifischflossensuppe zu sich? Und habt ihr nicht mit eigenen Augen den Film Eine wahre Tochter des Vaterlands gesehen, Bürger, hier im Moranbong-Lichtspieltheater in Pjöngjang? Dann erinnert ihr euch gewiss an die Szene, in der das Boot unserer großen Volksschauspielerin Sun Moon in der Bucht von Inch'ŏn kentert, während sie versucht, den amerikanischen Überraschungsangriff zu verhindern. Wir alle hielten den Atem an, als die Haifische begannen, die hilflos in den Wellen Treibende zu umkreisen. Doch erkannten die Haie nicht Sun Moons koreanische Sittsamkeit? Und witterten sie nicht ihren glühenden Patriotismus? Sie trugen sie auf ihren Flossen sicher an Land, wo sie sich sofort in den rasenden Kampf gegen die imperialistischen Eindringlinge warf.
    Allein schon daran könnt ihr, Bürger, doch sehen, dass die Gerüchte, die in Pjöngjang die Runde machen – dass Kommandant Ga und Sun Moon sich nicht von Herzen lieben –haltlose Lügen sind! Sie sind ebenso haltlos wie die absurden Entführungsvorwürfe der Japaner. Glauben die Japaner etwa, wir hätten vergessen, dass sie unsere Männer versklavt und unsere Frauen als Trostfrauen entehrt haben? Haltlos , auch nur anzunehmen, dass irgendeine Frau ihren Gatten mehr lieben könnte als Sun Moon den ihren. Waren die Bürger nicht selbst Zeugen, wie Sun Moon ihrem neuen Ehemann den Goldgurt überreichte, ihre Wangen gerötet vor Sittsamkeit und Liebe? Waren wir nicht alle auf dem Kim Il Sung-Platz versammelt, um dieses Schauspiel mit eigenen Augen zu verfolgen?
    Wem wollt ihr Glauben schenken, Bürger? Gerüchten und Lügen oder euren eigenen Augen?
    Aber kommen wir zu unserem heutigen Programm zurück, in dem wir eine Wiederausstrahlung von Kim Il Sungs glorreicher Ansprache vom fünfzehnten April Juche 71 senden sowie Hinweise des Genossen Buc, Minister für das Beschaffungswesen, wie sich die Lebensdauer einer
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