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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Andrea Camilleri
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daß ich heute noch lebe, ist der Beweis.« Urquarts Augen brannten noch heller.
    »Das haben Sie diesen Leuten erzählt, damit sie Ihnen zuhören!« wisperte Arflane. Er zerrte an seinen Handfesseln, aber sie saßen fest.
    Urquart ignorierte Arflane und trat vor. Er zog sein langes Messer und bückte sich, um Ulrica und Manfred Rorsefne die Fesseln zu lösen. Ulrica lag unbeweglich da; ihr Gesicht war blaß, ihre Augen blickten ungläubig und entsetzt. Selbst Manfred Rorsefnes Gesicht war ernst geworden. Keiner von ihnen stand auf.
    Urquart riß die zitternde Ulrica auf die Beine, steckte sein Messer ein und packte Rorsefnes zerfetzten Mantel. Rorsefne stand mit einiger Würde auf. Arflane spürte hinter sich eine Bewegung. Er wandte den Kopf und sah, daß Janek Ulsenn die Hände frei hatte. Donal deutete schweigend auf Ulsenn, aber Urquart sagte: »Er wird nichts unternehmen.«
    Arflane starrte ungläubig auf den hageren Harpunier. »Sie haben den Verstand verloren, Urquart! Sie können sie nicht umbringen!« »Ich kann«, war alles, was Urquart antwortete.
    »Er muß«, fügte der dicke Priester hinzu. »Das ist das Abkommen, das er mit uns getroffen hat. Wir hatten bei der Jagd kein Glück und müssen der Mutter des Eises Opfer bringen. Das Opfer muß von bestem Geblüt sein.« Er lächelte leicht sarkastisch und deutete mit seinem Daumen auf Donal. »Ihn aber brauchen wir – er ist alles, was wir haben. Wenn Urquart das Ritual beendet hat, dann sind Sie frei. Sie können allein weggehen oder uns mitnehmen, wie Sie auch entscheiden.« »Er ist wahnsinnig!« Arflane versuchte, auf die Beine zu kommen. »Der Haß hat ihm den Verstand verwirrt.«
    »Das ist uns gleichgültig«, erklärte der Priester. »Sie werden leben bleiben und sollen dankbar sein.«
    Arflane richtete sich halb auf und fiel wieder zurück.
    Donal wandte sich ab. Der Priester folgte ihm und stieß Ulrica und Manfred Rorsefne vor sich her. Urquart machte den Schluß. Ulrica sah sich nach Arflane um. Die Panik war aus ihren Augen gewichen und hatte einem hoffnungslosen Fatalismus Platz gemacht. »Ulrica!« rief Arflane.
    Urquart sagte, ohne Arflane anzublicken: »Ich schneide Ihre Fesseln durch. Ich bezahle, was ich Ihnen schuldig bin. Ich befreie Sie.«
    Arflane beobachtete wie betäubt die Barbaren, die das Ritual vorbereiteten. Sie errichteten ein Gerüst aus Knochen und banden die Gefangenen daran fest. Dann trat Urquart vor und trennte mit dem Messer Rorsefnes Kleidung auf, bis er völlig nackt war. Mit den gleichen geschickten Schnitten trennte er auch Ulricas Kleidung auf, bis sie ebenfalls nackt dastand. Arflane hatte es aufgegeben, an seinen Fesseln zu zerren. Selbst wenn er hätte aufstehen können, blieben seine Hände gefesselt. Außerdem standen jetzt zwei Posten in seiner Nähe. Entsetzt blickte er zur Seite, als Urquart mit dem Messer zustach. Er hörte Rorsefne gellend aufschreien, riß den Kopf wieder herum und starrte wie hypnotisiert auf Ulrica. »Nein, Urquart!« entrang es sich seiner Kehle, als der Harpunier auf Ulrica zuging. »Nein!« Rorsefne hing leblos an dem Gerüst. Sein Kopf war nach vorn gekippt; das Blut floß aus einer tiefen Stichwunde in der Hüftschlagader.
    Urquart schien ihn nicht zu hören. Er konzentrierte sich jetzt auf Ulrica, die ihn, wahnsinnig vor Angst, anstarrte und erfolglos versuchte, dem drohenden Messer zu entgehen.
    Da sah Arflane neben sich eine Gestalt aufspringen, einem Posten den Speer aus der Hand reißen und ihn damit durchbohren. Dann schnitt die Gestalt mit der scharfen Speerspitze Arflanes Fesseln durch, während der zweite Posten sich verwundert nach ihm umdrehte. Arflane sprang auf und dem Posten an die Kehle. Seine Finger drückten, bis der Mann zu Boden fiel.
    Keuchend stand Ulsenn neben Arflane, den blutigen Speer in der Hand. Arflane hob den anderen Speer auf und rannte über das Eis auf Urquart zu. Erst jetzt begriff der dicke Priester, was geschehen war. Er rief Urquart etwas zu und deutete auf Arflane. Mehrere Barbaren, die im Halbkreis um Ulrica und Manfred Rorsefne saßen, sprangen auf, doch Donal hielt sie zurück. Urquart drehte sich um und starrte Arflane verwundert an. Arflane rannte mit dem Speer auf ihn zu, doch Urquart sprang zur Seite, so daß Arflane den Speer fast in Ulrica gebohrt hätte. Urquart atmete schwer; er hatte das Messer erhoben und bewegte seinen Kopf langsam in die Richtung seiner mächtigen Harpune, mit der er Ulrica und Rorsefne nach dem Ritual den
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