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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Andrea Camilleri
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Todesstoß versetzen wollte.
    Da schleuderte Arflane den Speer und traf Urquarts Arm.
    Noch immer bewegte sich Urquart nicht, doch seine Lippen schienen eine Frage zu formen.
    Jetzt bückte Arflane sich nach der Harpune und hob sie auf.
    Urquart beobachtete ihn und schüttelte befremdet den Kopf. »Arflane …?«
    Arflane packte mit beiden Händen die Harpune und stach sie Urquart in die breite Brust. Urquart packte den Schaft und versuchte, die Waffe aus seinem Körper zu ziehen. »Arflane«, keuchte er. »Sie sind ein Narr! Sie haben alles vernichtet …« Er taumelte nach vorn, seine schmerzerfüllten Augen blickten noch immer ungläubig, und Arflane schien es, als habe er mit Urquart alles getötet, was er für wertvoll gehalten hatte. Der Harpunier stöhnte laut; sein Oberkörper schwankte hin und her. Dann stürzte er, wollte aufstehen, brach aber tot zusammen.
    Arflane wandte sich den Barbaren zu, die keine Bewegung machten. Der Priester furchte unschlüssig die Stirn.
    Ulsenn rannte auf ihn zu. »Zwei!« rief er. »Zwei Leute edlen Geblüts. Urquart war der Cousin des Mannes und der Bruder der Frau!«
    Die Barbaren murmelten etwas und blickten fragend ihren Priester und ihren Häuptling an.
    Donal stand auf und rieb sein glattrasiertes Kinn. »Aye«, sagte er. »Es sind zwei. Das ist fair. Bindet die Frau los. Kümmert euch um den Mann, wenn er noch lebt. Morgen gehen wir zum Hof der Mutter des Eises.«
    Ulrica weinte wie ein Kind, als sie von ihren Fesseln befreit wurde. Arflane nahm sie in seine Arme und hüllte sie in ihre zerschnittene Kleidung. Dann trug er sie in das Zelt des Priesters. Ulsenn folgte ihm und trug den bewußtlosen Manfred Rorsefne.
    Als Ulrica schlief und Manfred Rorsefnes tiefe Hüftwunde notdürftig verbunden war, saßen Arflane und Janek Ulsenn in dem engen Zelt zusammen. Es war dunkel geworden, doch sie
schliefen nicht. Die Ereignisse der verflossenen Stunden hatten sie zusammengeführt, aber sie wußten, daß es nicht so bleiben würde.

    24

    Sie brauchten zwei Wochen, um New York zu finden, und während dieser Zeit starb Manfred Rorsefne infolge des ständigen Blutverlustes aus der Stichwunde, die Urquart ihm beigebracht hatte. Er wurde im Eis zur Ruhe gebettet. Arflane, Ulrica und Janek Ulsenn ritten mit Donal und dem dicken Priester in einer Gruppe. Sie hatten mühelos gelernt, auf den bärenartigen Tieren zu reiten. Sie kamen aber nur langsam voran, weil die Barbaren ihre Zelte und ihre Frauen mitführten. Das Wetter war überraschend schön geworden.
    Als sie die hohen Türme New Yorks auftauchen sahen, hielten sie an. Die Reitbären kratzten mit ihren Pranken nervös auf dem Eis; vielleicht spürten sie die gemischten Gefühle der Reiter, als diese auf die Riesentürme aus Metall, Glas und Stein starrten. »Reiten wir weiter«, schlug Donal vor.
    Langsam näherten sie sich den vielen Fenstern der hohen Türme, die aus dem Eis emporragten. Als sie näher herangeritten waren, spürten sie eine unnatürliche Wärme – eine Wärme, die das Eis hätte schmelzen können. War das die Stadt der Mutter des Eises? Wieder hielten sie an. Das war die Stadt, die all ihre Träume und Hoffnungen symbolisierte; die Stadt, die plötzlich zu einer Drohung geworden war …
    »Gefällt mir nicht«, grunzte Donal. »Diese Hitze … Sie ist schlimmer als die Hitze, die in den Süden kam.«
    Arflane nickte. »Aber wie kann es so heiß sein? Warum ist das Eis dann nicht geschmolzen?«
    »Kehren wir um«, sagte Janek Ulsenn. »Es war dumm von uns hierherzukommen.«
    Arflane gab ihm instinktiv recht; aber er war hinausgezogen, um New York zu erreichen. Er hatte sich eingeredet, alles zu akzeptieren, was die Stadt ihm bot. Er mußte weiter; er hatte Menschen getötet und ein Schiff zerstört, um sein Ziel zu erreichen. Jetzt war er nur noch eine Meile von der Stadt entfernt, und aus diesem Grund konnte er unmöglich kehrtmachen. Er schüttelte den Kopf und trieb sein Reittier an. Hinter sich hörte er Gemurmel.
    Er hob einen Arm und deutete auf die schlanken Türme. »Wir wollen die Mutter des Eises begrüßen«, sagte er. Sein Reitbär galoppierte vorwärts, und die Barbaren hinter ihm trieben ihre Tiere an und brüllten wild, um sich gegenseitig Mut zu machen. Ulricas Kapuze war vom Wind zurückgeweht worden, und ihr offenes Haar flatterte, als sie sich am Sattel festhielt. Auch Arflanes Bart wehte im Wind. Er grinste. Dafür machte Ulsenn ein so ernstes Gesicht, als reite er dem sicheren Tod
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