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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Andrea Camilleri
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zufrieden waren.
    Die Arktianer verfeinerten ihre Wissenschaften und Lebensbedingungen. Resultat war die Stadt New York. Man tat das, was die Menschheit schon immer getan hatte, und paßte die Umgebung dem Menschen an. Man entwickelte Techniken, mit deren Hilfe man das Eis zurückdrängen und die Oberfläche des Planeten wieder so herrichten konnte, wie sie vor zweitausend Jahren gewesen war. Der rapide Wuchs des Eismantels konnte nun in umgekehrter Richtung beeinflußt werden. Dies geschah mittels Spezialinstrumenten, die auch in anderen kontinentalen Landmassen installiert wurden. Zur gleichen Zeit machte man biologische Experimente und züchtete Tiere, die die neue Ökologie entwickeln halfen. Die grünen Vögel, um nur ein Beispiel zu nennen. Sie ersetzten die Kreaturen des Eises, von denen die meisten nicht in der Lage gewesen waren, sich den neuen Umweltbedingungen anzupassen. Es würde mindestens noch zweihundert Jahre dauern, bis ein größeres Landgebiet eisfrei sein würde. Für die wichtigsten Experimente benutzten sie den afrikanischen Kontinent. Die Resultate stimmten optimistisch. Denn Afrika war nie ganz vom Eis überzogen, und es gab dort wilde Lebensformen, die bei den biologischen Experimenten sehr wesentlich geholfen hatten.
    Arflane und Ulrica hatten sich diese Ausführungen entgei
    sterten Gesichts angehört. Arflane hatte das Gefühl, zu ertrinken. Sein Körper und sein Verstand waren wie betäubt. »Wir heißen Besucher stets willkommen«, fuhr Ballantine fort. »Besonders dann, wenn sie vom Plateau der acht Städte kommen. Obwohl die meisten Tiere dort nicht in der Lage waren, sich anzupassen, haben Sie überlebt.« Er blickte sie an und ergänzte nachdenklich: »Jedenfalls in körperlicher Hinsicht …«
    Arflane blickte zu ihm auf und sagte ohne Groll: »Sie würden unsere ganze Lebensweise zerstören.«
    »Ihre Lebensweise ist nicht natürlicher als unsere. Wir sitzen in unseren künstlichen Gehäusen, strengen unsere Gehirne an und vergessen unsere Körper. Wir alle sind körperlich schwach, aber geistig stark. Ihr Volk ist besser ausbalanciert, denn der Verstand kann leichter ernährt werden als der Körper.«
    Arflane nickte ernst. »Aber es gibt Leute, die nicht annehmen wollen, was Sie bieten. Ich bin einer von ihnen.«
    »Wir bieten unser Wissen. Was ist daran verkehrt?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Arflane langsam. »Vermutlich ist nichts daran verkehrt. Ich kann mir vorstellen, daß spätere Generationen davon profitieren, aber ich – verstehen Sie? – bin für diese Lebensweise nicht geschaffen. Ich glaube an das ewige Eis, an die Lehre, daß alles erkalten wird und wir unser Leben nur der Barmherzigkeit der Mutter des Eises verdanken.«
    »Sehen Sie nicht ein, wie falsch diese Lehre ist?« sagte Bal
    lantine nachsichtig. »Zumindest ist sie überholt. Ihre Gesellschaft hat diese Lehre geschaffen, damit sie weiterleben konnte. Damals brauchte sie diese Lehre, aber jetzt nicht mehr.« »Ich verstehe«, sagte Arflane. Die dumpfe Trauer, die ihn erfüllte, war schwer zu überspielen. Sein ganzes Leben – gerechnet von dem Augenblick, als er Pyotr Rorsefne das Leben rettete – schien auf diesen Punkt zugesteuert zu sein. Allmählich hatte er seine alten Prinzipien abgelegt, sich sentimentale Gefühle gestattet und sich um Ulrica bemüht. Hätte er nach seinen eigenen Gesetzen gelebt, würde die Mutter des Eises ihn getröstet haben. Dann hätte ihn kein Peter Ballantine in Verwirrung bringen können. Hätte er auf Urquart gehört, den letzten echten Anhänger der Mutter des Eises, und wäre er mit ihm gegangen, dann würden sie das New York gefunden haben, das sie zu finden hofften. Aber er hatte Urquart getötet, um Ulrica das Leben zu retten. ›Sie haben alles vernichtet‹, hatte Urquart kurz vor seinem Tod gesagt. Jetzt verstand Arflane, was der Harpunier damit gemeint hatte. Urquart hatte versucht, den Kurs zu ändern, aber der Kurs hatte unvermeidlich zu Peter Ballantine geführt, zu seiner Logik, seiner Vision von der Erde, in der die Mutter des Eises starb oder schon tot war. Wenn er Sie finden könnte …
    Ulrica Ulsenn berührte seine Hand. »Er hat recht«, sagte sie leise. »Darum haben sich die Leute der acht Städte geändert. Weil sie wußten, was mit der Welt geschieht. Sie paßten sich in der gleichen Weise an, wie die Tiere sich anpaßten.«
    »Die Anpassung der Landwale wurde künstlich stimuliert«, sagte Ballantine mit einigem Stolz. »Es war ein Experiment
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