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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Andrea Camilleri
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Mensch sterben, erkalten, plötzlich wieder warm werden, aufspringen und sagen: ›Ich war tot, aber jetzt lebe ich wieder?‹ Sehen Sie nicht ein, daß Ihre Logik nur Blendwerk ist? Ob die Mutter des Eises eine Realität oder nur ein Symbol ist, sie muß dennoch geehrt werden. Wenn die Leute von Friesgalt
nicht an sie glauben, werden sie früher sterben als nötig. Sie halten mich für einen abergläubischen Barbaren, weil ich nicht ihrer Ansicht bin. Aber das, was ich sage, hat schon seinen Sinn.«
    »Ich beneide Sie um Ihre Überzeugung«, sagte Kristoff Hinsen ruhig.
    »Und ich bemitleide Sie, weil Sie sich überflüssige Sorgen machen!«
    Verwirrt griff Petchnyoff nach Arflanes Arm. »Kann ich Ihnen jetzt den Rest des Schiffes zeigen, Kapitän?«
    »Danke!« war die schroffe Antwort. »Ich habe alles gesehen, was ich sehen wollte. Ein gutes Schiff. Lassen Sie es nicht verkommen.« Sein Gesicht verdüsterte sich.
    Hinsen wollte noch etwas sagen, doch Arflane machte kehrt, verließ das Achterdeck, kletterte über die Seitenwand und dann über die Bordwand die Leiter hinunter. Er marschierte zum Eingang der Stadt unter dem Eis, und seine Stiefelsohlen knirschten im Schnee.

    4

    Nach seinem Besuch auf dem Eisschoner wurde Konrad Arflane ungeduldig. Noch immer hatte er nichts von den Ulsenns gehört und wußte auch nichts über den Zustand des alten Mannes. Was seine eigenen Angelegenheiten betraf, war er noch zu keinem Entschluß gekommen. Es stand jedoch fest, daß er bei dem nächsten Schiff aus Brershill anmustern würde.
    Er wanderte ziellos um den Ankerplatz herum und ging allen Schiffen aus dem Wege, besonders dem Schoner Ice Spirit . Am vierten Morgen sichtete er einen Dreimaster. Er glitt unter vollen Segeln dahin und hatte die Flagge von Brershill gehißt. Arflane lächelte, als der Segler nähergekommen war. Es war die Tender Maiden , ein Walfänger, den sein alter Freund Kapitän Jarhan Brenn kommandierte. Der Dreimaster steuerte mit unverminderter Geschwindigkeit den Ankerplatz an. Die Arbeiter stoben auseinander, weil sie fürchteten, der Kapitän habe die Kontrolle über das Schiff verloren. Im letzten Augenblick beschrieb er eine elegante Kurve und reffte die Segelfläche, um langsam bis zum letzten Walfänger zu gleiten. Arflane rannte quer über das Eis auf die Tender Maiden zu. Er erreichte das Schiff, als die Anker fielen und befestigt wurden. Oben auf dem Deck hörte er jemanden lachen. Er hob den Kopf und sah Kapitän Jarhan Brenn an der Reling stehen. »Hallo, Arflane! Sind Sie unter die Ankerleute gegangen? Wo ist Ihr Schiff?«
    Arflane zuckte die Achseln und spreizte die Hände. Dann packte er eine Ankerleine und kletterte empor, bis er die Reling fassen konnte. Wenig später stand er neben seinem alten Freund.
    »Kein Schiff«, sagte er zu Brenn. »Mein bisheriges Schiff hatte zu viele Schulden an Bord und mußte an einen Händler aus Friesgalt verkauft werden.«
    Brenn nickte mitfühlend. »Das war nicht das letzte Schiff, nehme ich an. Sie hätten beim Walfang bleiben sollen. Für uns Walfänger gibt es immer Arbeit, was auch passiert. Und dann haben Sie nicht einmal diese Frau geheiratet …« Er lachte. Brenn spielte damit auf die Zeit vor ungefähr sechs Jahren an, als Arflane eines Mädchens zuliebe, das er heiraten wollte, ein Kommando auf einem Handelsschiff angenommen hatte. Als er das getan hatte, begriff er, daß er nichts mit einem Mädchen zu tun haben wollte, das solche Bedingungen stellte. Aber es war zu spät, er bekam sein Kommando auf dem Walfänger nicht mehr wieder.
    Er lächelte bedauernd. »Ich hatte eben Pech, Brenn.«
    Sein Freund war ein kleiner, stämmiger Mann mit einem runden, roten Gesicht und einem Fransenbart. Er trug einen schweren, schwarzen Pelz, aber Kopf und Hände waren bloß. Sein graues Haar war kurzgeschnitten, jedenfalls für einen Walfänger, und an seinen kräftigen Händen sah man Schwielen, wie sie nur eine Harpune verursachen konnte. Brenn wurde sowohl auf den Jagdfeldern des Nord- als auch des Südeises als hervorragender Kapitän respektiert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt jagte er auf dem Nordeis, was seine Ausrüstung verriet. »Sie haben nicht allein Pech, Arflane«, grunzte Brenn. »Unsere Laderäume sind fast leer. Zwei Kälber und eine alte Kuh, mehr haben wir nicht an Bord. Wir wollen für die Ladung mehr Proviant kaufen und es im Südeis versuchen. Ich hoffe, dort ist die Jagd ergiebiger. Im Norden sind die Wale schwer zu
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